Wer schon mal morgens auf dem Weg zu einem wichtigen Termin in den Berufsverkehr geraten ist, also jeder Führerscheinbesitzer, kennt es: Man steht mit zig Leidensgenossen in einer Schlange vor der Ampel, tippt nervös aufs Lenkrad und schaut auf die Uhr, auf der die Sekunden verrinnen wie Sand durch ein Sieb, schaut hoch, sieht endlich die Ampel auf Grün springen, fährt hoffnungsfroh an – vielleicht schafft man es ja doch noch pünktlich. Doch bis man die Kreuzung erreicht, springt die Ampel wieder auf Rot. Hier müssen so viele durch – warum zum Teufel kann das Ding nicht länger grün bleiben?
Susann Howedank kennt das auch und fährt deswegen oft Schleichwege, um morgens zum Tiefbauamt im schwäbischen Ellwangen zu kommen, das sie leitet. Wie überall in Deutschland spulen auch in der Stadt 100 Kilometer östlich von Stuttgart die Ampeln immer die gleichen Phasen nacheinander ab. Zwar würden die Rushhours berücksichtigt, sagt sie, zum Beispiel bleibe die Ampel in der Bundesstraße morgens zwischen 7 und 8 Uhr und nachmittags zwischen 16 und 17 Uhr immer etwas länger grün als den Rest des Tages. Das laufe aber immer gleich ab, ein „ganz starres Programm“, sagt Howedank. Wenn etwas geändert werden soll, muss man die Schaltung aufwendig umprogrammieren.
In London ist die Technik bereits im Einsatz
Nun aber sollen die Ampeln in Ellwangen intelligent werden. Künftig soll ein Steuergerät erkennen, wo mehr Verkehr ist, diesen laufen lassen und dort, wo niemand entlang will, länger Rot anzeigen lassen. Das Verkehrsministerium Baden-Württembergs lässt sich den Test der neuen Steuerung, der im Juli angelaufen ist, bis Ende des Jahres 200 000 Euro kosten. Verkehrsminister Winfried Hermann erhofft sich davon, dass Autos künftig schneller ans Ziel kommen, seltener anhalten und anfahren müssen – und damit weniger CO₂ ausstoßen. „Dieses System stellt mit seiner künstlichen Intelligenz eine neue Ampel-Generation dar“, sagt er.
Auf einer Strecke von gut zwei Kilometern hat die beauftragte Firma Yunex Traffic an zwölf Kreuzungen Ampelanlagen mit einer neuen Verkehrssteuerung ausgestattet, die Daten von Radaren und der induktiven Schleifen im Asphalt nutzt. Das System erfasst die Verkehrsteilnehmer punktuell und erstellt basierend auf Annahmen – zum Beispiel, wie Autos beschleunigen oder wo sie abbiegen – ein Modell des Verkehrs. Daraus macht es dann Signalpläne für einen möglichst effektiven Verkehrsfluss.
Natürlich kennt das Steuergerät die Regeln, weiß, dass es zwei kreuzende Straßen niemals gleichzeitig freigeben darf oder dass an einer zwölf Meter breiten Straße die Fußgängerampel rund 20 Sekunden lang Grün anzeigen muss. Im britischen Hampshire hat Yunex Traffic mit seinem System eigenen Angaben zufolge die Reisezeit um bis zu 20 Prozent gesenkt und im Testfeld London die Auto-Stopps um bis zu 15 Prozent verringert. Allen können sie es aber auch nicht recht machen, räumt Produktmanagerin Sabine Krause ein: „Wenn wir für die Gesamtheit optimieren, kann es sein, dass es für Einzelne trotzdem länger dauert“ – etwa für die, die in der Seitenstraße warten.
Tiefbauamtsleiterin Susann Howedank hofft, dass sie in Zukunft nicht mehr auf Schleichwege ausweichen muss, weil auf der Hauptstraße mal wieder nichts geht. Ellwangens nächstes Großereignis soll dann mit weniger Staus über die Bühne gehen, sagt sie: die Landesgartenschau 2026.