Verhandlungen über große Koalition:Generalsekretäre ziehen die Kostenbremse

Dobrindt, Nahles, Gröhe

Wehren sich gegen allzu großzügige Ausgabenwünsche ihre Fachpolitiker: Die drei Generalsekretäre Alexander Dobrindt (CSU, li), Andrea Nahles (SPD) und Herman Gröhe (CDU).

(Foto: dpa)

Wenn es darum geht, Geld auszugeben, scheinen sich die Unterhändler von Union und SPD sehr schnell einig zu sein. Aber jetzt reicht es den drei Generalsekretären Gröhe, Nahles und Dobrindt: Alles, was Geld kostet, kommt ab sofort auf eine sogenannte F-Liste.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Draußen vor der Tür der Bayerischen Landesvertretung in Berlin steht Bundesbauminister Peter Ramsauer von der CSU und verkündet, wie viele Milliarden er mit der SPD für Gebäudesanierung und Neubauten ausgeben wird.

Drinnen steht sein Parteifreund und Generalsekretär Alexander Dobrindt und erklärt genau das für null und nichtig. "Nichts ist verhandelt, bis nicht alles verhandelt ist", sagt er, zwischen seinen Kollegen Hermann Gröhe von der CDU und Andrea Nahles von der SPD stehend. Und dass dieser Grundsatz insbesondere für all das gelte, was Geld kosten könnte. Nahles und Gröhe nicken.

Zum dritten Mal trafen sich an diesem Dienstag die Unterhändler von Union und SPD in der 75-köpfigen großen Runde. Die Themen Wirtschaft und Außenpolitik standen auf der Tagesordnung. Die jeweiligen Arbeitsgruppen sollten ihre Vorschläge präsentieren. Zu Beginn aber haben die drei Generalsekretäre Dobrindt, Gröhe und Nahles noch schnell die Notbremse gezogen.

Auf ihren Schreibtischen häufen sich die Ausgabenwünsche aus den Arbeitsgruppen. Geht es ums Geld ausgeben, scheinen sich die Unterhändler von Union und SPD sehr schnell einig zu sein. Hier eine Milliarde Euro für den Ausbau von Breitbandnetzen. Dort 250 Millionen Euro für einen Heizkostenzuschlag für Hartz-IV-Empfänger. Mehr Geld solle es auch geben für die energetische Gebäudesanierung. Dazu einen Steuerbonus für die Forschungsförderung. Und noch vieles mehr.

Um die Finanzierung kümmern sich die Arbeitsgruppen eher selten

Alles schöne Ideen. Aber wer das bezahlen soll, wird in den Arbeitsgruppen eher nicht formuliert. Dabei haben sich Union und SPD bereits auf einen Korridor geeinigt, der die finanziellen Spielräume eng werden lässt: Verzicht auf Steuererhöhungen sowie auf höhere Schulden. Nur Steuermehreinnahmen dürfen - wenn überhaupt - für neue Ausgaben herhalten.

Darum gibt es jetzt die "F-Liste", wie Dobrindt sie nennt, die Finanzierungsliste. Die soll schon einen erklecklichen Umfang haben. Auch die Euro-Beträge sind darin aufgeführt, die für die einzelnen Wünsche aufzubringen wären. Es wird wohl noch eine Reihe von Wünschen hinzukommen. Aber entschieden werde erst ganz am Schluss, im Zweifel von den drei Parteivorsitzenden höchstpersönlich, was davon zu den notwendigen Projekten gezählt werde. Und was eher "nice to have" ist, wie Gröhe sagt. Also verzichtbar.

Was jetzt nicht mehr geht: dass sich einzelne Arbeitsgruppen-Vorsitzende hinstellen und sich mit vermeintlichen Milliarden-Programmen bei ihrer Klientel profilieren. Sie sollen unter ihre Papiere zumindest schreiben, dass alles unter Finanzierungsvorbehalt steht, sagt nach der heutigen Runde ein ranghoher Unterhändler.

AG Wirtschaft muss nachsitzen

Getroffen hat es an diesem Dienstag als Erstes die Arbeitsgruppe Wirtschaft, geleitet von Hubertus Heil von der SPD und Ilse Aigner von der CSU. Deren eine Milliarde Euro für den Breitbandausbau hat die große Runde erst mal gekippt. Die AG Wirtschaft muss nachsitzen und doch bitte zunächst ein Konzept ausarbeiten, wie das deutsche Hochgeschwindigkeits-Internet in der Fläche ausgebaut werden kann, ohne mehr Geld auszugeben. Etwa durch den Abbau von Bürokratie. Ähnlich wird es wohl vielen AG-Vorsitzenden gehen, die in der großen Runde vorsprechen müssen.

Auch die Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales sucht noch nach einem gemeinsamen Fahrplan für die Koalition. Immerhin sehen Union und SPD übereinstimmend Handlungsbedarf im Kampf gegen Altersarmut. Auf Ergebnisse verständigten sie sich aber nicht. Beide Seiten wollten "am Ende ein Gesamtpaket vorlegen aus den einzelnen Maßnahmen", sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles.

Noch keine Einigung beim Thema Rente

Für Ursula von der Leyen, Verhandlungsführerin der Unionsseite, ist in den Gesprächen über die Altersarmut von Erwerbsgeminderten und Solo-Selbstständigen eines deutlich geworden: "Wir müssen jetzt priorisieren, was ist das Wichtigste, was kann einen Moment warten, bis wir uns wieder Spielräume erarbeitet haben." Nahles ergänzente: "Wir sehen uns da in der Verantwortung, Lösungen zu finden, die Rentenlücken auch schließen." Zugleich müsse man aber auch mit Beitragsgeldern und Steuermitteln verantwortlich umgehen.

Die besten Erfolgschancen haben die Unterhändler beider Seiten mit Ideen, die kein Geld kosten. Etwa die Mietpreisbremse: Bestandsmieten sollen in Hochpreisregionen um höchstens 15 Prozent in vier Jahren steigen dürfen. Und Makler sollen von demjenigen bezahlt werden, der sie bestellt. Das dürfte Wohnungssuchende freuen. Kostet den Steuerzahler beides nichts. Was die Umsetzungswahrscheinlichkeit immens erhöht.

Doch auch da gilt Dobrindts Grundsatz: "Nicht ist verhandelt, bis nicht alles verhandelt ist." Mehr als Wasserstandsmeldungen werden es also bis zum Ende der Koalitionsverhandlungen nicht sein, die aus den Arbeitsgruppen nach außen dringen. Wer also belastbar wissen will, was eine mögliche große Koalition vorhat, muss sich wohl gedulden.

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