Selbst wenn weder die Regierung in Ankara noch die Mehrzahl der EU-Staaten einen Beitritt der Türkei zur EU für realistisch halten: Es wäre töricht, die Taue zwischen den beiden Tankern zu kappen. Die Türkei hat ein großes Interesse an einer engen Bindung an den europäischen Binnenmarkt, und für die EU gibt es zig strategische und selbst innenpolitische Gründe, auf die Türkei einzuwirken.
Dennoch gibt es Grenzen: Wenn ein türkischer Minister offen mit Demonstrationen und gar Unruhen in Deutschland droht, wenn er in den Wahlkampf eingreifen will - dann muss die Bundesregierung reagieren. Und sie hat eine Antwort gefunden, die man als angemessen bezeichnen könnte: Es wird weiter mit Ankara über den EU-Beitritt verhandelt, aber nicht jetzt, sondern später und nach Lage der Dinge; das heißt: wohl erst im Herbst, sofern es dann keine Gewalt gegen Demonstranten mehr gibt.
Und wenn verhandelt wird, dann über die entscheidenden Themen: Rechtsstaat, Gerichte, Menschenrechte. Die anderen EU-Staaten sind gut beraten, dieser von Berlin vorgeschlagenen Linie zu folgen. Die Konfrontation verlangt nach Solidarität in der EU.
Der türkische Premier Erdoğan kann diese Kröte nun schlucken oder er beendet die Verhandlungen. Die Entscheidung liegt bei ihm. Damit wäre die europäische Zukunft der Türkei geklärt - von ihm, nicht von Berlin. Wenn er die Taue kappt, dann ist ihm nicht mehr zu helfen.