Verhandlungen:Probleme sind zum Lösen da

Das Berliner Regierungsbündnis war nach monatelangem Streit darum bemüht, Handlungsfähigkeit zu beweisen. Der neue Tatendurst überrascht nicht zuletzt die Koalitionäre selbst.

Von Nico Fried und Ruth Eisenreich

Der CSU-Chef war voll des Lobes. Die Frau Nahles zum Beispiel habe das Thema Leiharbeit "sorgfältig" vorbereitet und später auch noch Zahlen zur Rentenversicherung "sehr überzeugend dargestellt", schwärmte Horst Seehofer vom Auftritt der Arbeitsministerin im Koalitionsausschuss. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wiederum sei trotz all der Rücktrittsspekulationen "sehr gut aufgelegt gewesen", so Seehofer. Das freue ihn, "wenn einer so mit einer solchen Situation umgeht". Er hoffe, dass Gabriel "das durchhält".

Sogar zur Bundeskanzlerin war dem CSU-Chef am Tag danach kein böses Wort zu entlocken. Die bekannten Unterschiede in der Flüchtlingspolitik stellte Seehofer zwar nicht in Abrede. Aber im persönlichen Verhältnis sei es ja entgegen allem, was geschrieben werde, so: "Wir reden, wir telefonieren, wir arbeiten, wir tauschen Analysen aus bis hin zu den globalen Megathemen Bevölkerungsexplosion und Ressourcenknappheit." Da schau her. Wo man doch zuletzt vor allem von der Vertrauensknappheit lesen musste und einer drohenden Fraktionsgemeinschaftsexplosion.

Ein demonstrativ entspannter Seehofer war mithin sehr darum bemüht, die Koalition als handlungsfähig zu beschreiben. Das erscheint ihm dieser Tage wichtig, weil alles theoretische Gerede über die AfD oder über Nutzen und Schaden von großen Koalitionen nach dem Rücktritt des österreichischen Bundeskanzlers nichts helfe. Die Probleme müssten gelöst werden, nur das interessiere die Leute. Und was die dächten, wisse er gerade besonders gut, weil er ja derzeit einen Dialog mit der Basis führe, einen Dialog, den Seehofer an diesem Mittwoch mindestens dreimal erwähnte.

Auch Horst Seehofer sah keinen Grund, schlechte Laune zu verbreiten

Das mit dem Problemelösen sieht seine Kanzlerin übrigens genauso. Und der Vizekanzler würde dem auch nicht widersprechen. Sigmar Gabriel sagt am Mittwoch, er sei "sehr froh", dass es nun eine Begrenzung der Beschäftigungsdauer von Leiharbeitern gebe und eine bessere Kontrolle möglichen Missbrauchs. Die Instrumente der Leih- und Zeitarbeit seien nun wieder für das geeignet, wofür sie gedacht seien: das Abfedern von Auftragsspitzen. "Das ist ein großer Erfolg", sagt der SPD-Chef.

In gewisser Weise überraschte die Koalition sich sogar selbst in ihrem Tatendurst. Das Thema Flexi-Rente habe gar nicht auf der Tagesordnung gestanden, erzählt Seehofer. Dann sei ihm in der Sitzung berichtet worden, was dazu schon verhandelt worden sei, worauf er gesagt habe: "Dann können wir's heute auch entscheiden." So zügig kann das gehen in dieser großen Koalition. Nur leider nicht bei jedem Thema. Als Seehofer nach der Erbschaftsteuer gefragt wird, wo er sich mit Finanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU nicht einigen kann, gefriert sein Gesichtsausdruck kurzzeitig: "Da muss sich einer bewegen. Und derjenige sitzt nicht vor Ihnen."

Ansonsten aber sah der CSU-Chef keinen Grund, schlechte Laune zu verbreiten. Schon die am Montag erzielte Vereinbarung des Freistaats Bayern mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière, die Grenzkontrollen um ein halbes Jahr zu verlängern, sei "beachtlich", so Seehofer. Nur ganz leise wolle er dazu sagen: "Wir haben recht bekommen." Das dürfe er nur eigentlich gar nicht sagen, so der CSU-Chef, "sonst gilt man gleich wieder als Rechthaber".

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