Verhandlungen mit Libyen:Am Tisch mit Mussa Kussa

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Gaddafis Verhandlungsführer gilt im Westen als Unterstützer terroristischer Gruppen.

Von Rudolph Chimelli

(SZ vom 22.12.2003) — Der libysche Revolutionsführer Muammar el Gaddafi beeilt sich, aus seinem Verzicht auf Massenvernichtungswaffen politischen Gewinn zu ziehen. Schon am Samstag sprach eine Delegation des Nationalen Komitees Libyens für Forschung beim Leiter der Internationalen AtomAgentur in Wien, Mohammed el-Baradei, vor.

Über den Inhalt der Gespräche verlautete nichts. Doch scheint es nach der Einigung zwischen Tripolis, Washington und London sicher zu sein, dass die Libyer Inspektionen keine Hindernisse in den Weg legen werden.

Bereits während der Verhandlungen, die dem Verzicht vorausgingen, hatten amerikanische und britische Waffenexperten Libyen besucht, im Oktober und Anfang Dezember. Sie hielten sich insgesamt drei Wochen auf und bekamen "nukleare, chemische, biologische und auf Raketen gerichtete Aktivitäten" zu sehen.

London teilte mit, Gaddafi besitze "nicht die Befähigung zur Herstellung von Atomwaffen, ist aber nahe daran, eine solche zu entwickeln". Nach US-Geheimdienstberichten hat Libyen sich bemüht, Massenvernichtungswaffen zu entwickeln, habe aber keine wirksamen Waffen oder die Mittel, sie ins Ziel zu bringen, produziert.

Mussa Kussa: Ein schlechter Ruf im Westen

Die Verhandlungen wurden auf libyscher Seite vom Chef des Auslandsgeheimdienstes, Mussa Kussa, geführt. Er hatte bisher im Westen einen schlechten Ruf. 1980 wurde er von seinem Posten als libyscher Emissär aus London ausgewiesen, weil er sich in einem Interview damit einverstanden erklärt hatte, dass Agenten seines Dienstes Emigranten ermordeten. In Frankreich besteht gegen ihn Haftbefehl, denn er gilt als ein Verantwortlicher für den Anschlag auf eine UTA-Maschine, dem 1989 über Niger 170 Menschen zum Opfer fielen.

Ein Porträt des britischen Geheimdienstes von Kussa beschrieb ihn 1995 als Chef der wichtigsten Geheimorganisation Libyens, "verantwortlich für die Unterstützung terroristischer Gruppen und für die Ausführung von staatlich geförderten Terrorakten". Ferner war er zuständig für "antiimperialistische Propaganda" und für finanzielle Hilfe an Guerilla-Gruppen in der Dritten Welt.

Gerade diese Seite des libyschen Regimes macht es als Partner im Krieg gegen den Terrorismus interessant. Die Leistung der Libyer besteht nicht nur in Gaddafis Verzicht auf Massenvernichtungswaffen, sondern nach einem Bericht des Londoner Observers auch darin, dass sie Einzelheiten über mehrere hundert Aktivisten mit Verbindungen zur al-Qaida geliefert haben. Gaddafis Sohn Saif-ul-Islam bestritt, dass die Bekanntgabe des Verzichts irgendetwas mit dem Krieg gegen den Irak oder der Ergreifung Saddam Husseins zu tun habe.

Er sprach von "langen und schwierigen Geheimverhandlungen", die vor neun Monaten begonnen hätten, "sogar vor dem Einmarsch in den Irak". Saif-ul-Islam wurde in Deutschland bekannt, als er als Vorsitzender der Gaddafi-Stiftung bei der Befreiung der deutschen Geiseln auf Jolo durch Zahlung von Lösegeld entscheidend mitwirkte.

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