Verhandlungen mit Iran:Hoffnung auf Durchbruch im Atomkonflikt

Chief diplomats struggle for nuclear deal with Iran

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (3. v. l.) mit seinem britischen Kollegen William Hague, dem Iraner Mohammed Dschawad Sarif und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton in Genf.

(Foto: dpa)

"Wir wären nicht hier, wenn wir nicht Hoffnung hätten": In Genf verhandeln die Außenminister der 5+1-Gruppe mit ihrem iranischen Amtskollegen Sarif. Der Optimismus ist groß, dass endlich Bewegung in den Atomstreit mit Iran kommt. Doch trotz aller positiven Vorzeichen könnten die Diplomaten am Ende mit leeren Händen dastehen.

Von Paul-Anton Krüger, Genf

Der knatternde Hubschrauber über dem Hotel Intercontinental kündigt hohen Besuch an. Der russische Außenminister Sergej Lawrow ist auf dem Weg vom Flughafen ins Genfer Diplomatenviertel, wo die eigentlich auf zwei Tage angesetzten Atomgespräche mit Iran in den dritten Tag gehen. Bis um zwei Uhr in der Nacht zum Samstag hatten die Delegationen der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands die Verhandlungen unter Leitung der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton mit der Abordnung des iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif fortgesetzt. Allein ein Treffen der beiden mit dem US-Chefdiplomaten John Kerry dauerte fünfeinhalb Stunden und endet erst nach Mitternacht.

Dass Kerry und in der Folge auch der amtierende deutsche Außenamtschef Guido Westerwelle sowie seine Kollegen aus Frankreich und Großbritannien, Laurent Fabius und William Hague, am Freitag nach Genf gereist waren, hatte die Erwartungen befeuert, dass in dem seit einem Jahrzehnt schwelenden Konflikt ein Durchbruch bevorstehen könnte. Am Abend reiste noch der stellvertretende chinesische Außenminister Li Baodong an. An den Gesprächen beteiligte Diplomaten rechneten damit, dass die Gespräche noch einmal bis in die Nacht dauern könnten, möglicherweise sogar bis Sonntag.

Über den Stand der Verhandlungen dringt wenig nach außen, auch Westerwelle wollte sich gegen Mittag dazu nicht konkret äußern. Nur dass man "nichts unversucht lassen werde", um zu einer Einigung zu kommen, sagte er. Das klare Ziel der Gespräche sei, dass "eine atomare Bewaffnung Irans in jedem Fall verhindert werden muss". Dem dienten die Verhandlungen, die jetzt in einer "schwierigen, aber zugleich auch wichtigen Phase" seien. Noch sei keine Einigkeit erzielt, aber "wir wären nicht hier, wenn wir nicht die Hoffnung hätten, dass jedenfalls eine Chance auf Einigung besteht".

Fabius bremst Optimismus nach erstem Textentwurf

Zuvor hatte Frankreich Ressortchef Laurent Fabius die Hoffnungen auf einen Durchbruch gedämpft, nachdem in der Nacht ein erster Text für ein mögliches Abkommen erarbeitet worden war. Diesen aber werde Frankreich "nicht akzeptieren", sagte Fabius dem Radiosender France Inter. Es gebe "keinerlei Sicherheit", dass am Ende der Gespräche ein Abkommen zustande komme.

Fabius nannte mehrere Punkte, mit denen die Regierung in Paris nicht zufrieden ist. Dies betreffe den in Bau befindlichen Schwerwasserreaktor in Arak. Sollte er in Betrieb gehen, würde er automatisch Plutonium produzieren und damit Iran neben der Urananreicherung einen zweiten potenziellen Weg zu Atomwaffen eröffnen. Außerdem bleibe zu klären, wie mit Irans Uran-Beständen verfahren werde, die bereits auf 20 Prozent angereichert sind. Von diesem Anreicherungsgrad könnte das Uran sehr schnell auf das für Waffen erforderliche Niveau von 90 Prozent gebracht werden.

Wenn diese Fragen nicht geregelt würden, warnte Fabius, werde eine Einigung nicht möglich sein. Außerdem müssten bei den Verhandlungen auch "die Sicherheitssorgen Israels und der Region vollauf berücksichtigt" werden. Israels Premier Benjamin Netanjahu hatte am Freitag ein Interimsabkommen rundheraus abgelehnt. Es sei der "Deal des Jahrhunderts" für Iran, "die Sanktionen werden aufgehoben, und Iran hat nichts gegeben". Dies sei ein "historischer Fehler".

Außenminister Hague lobt "sehr gute Fortschritte"

Allerdings wiesen sowohl Westerwelle als auch sein britischer Kollege William Hague in Genf diese Kritik zurück. Noch gebe es kein Abkommen. Daher könne es auch erst bewertet werden, wenn es ausgehandelt sei. Hague sprach im Widerspruch zu Fabius von "sehr guten Fortschritten" bei den Verhandlungen. Um zu einem Abkommen zu gelangen sei aber "Flexibilität von allen Seiten" erforderlich. Es müsse letztlich ein Ergebnis erzielt werden, "in das die Welt als Ganzes Vertrauen haben kann".

Diplomaten zufolge geht es in Genf nicht um eine endgültige Lösung des Atomstreits, sondern nur um "einen ersten Schritt". Im Zuge einer solchen Übergangslösung würde Teheran sein Atomprogramm zunächst einfrieren. Die technischen Details, was dies genau umfasst, sind offenbar weiter umstritten, wie die Äußerungen von Fabius vermuten lassen. Im Gegenzug würden einige der gegen das Land verhängten Wirtschaftssanktionen ausgesetzt oder auf ausländischen Bankkonten blockiertes Geld aus Öleinnahmen freigegeben werden.

In einem zweiten Schritt soll dann über ein umfassendes Abkommen verhandelt werden. Dieses müsste eine technische Garantie dafür bieten, dass Iran nicht unter dem Vorwand eines zivilen Atomprogramms die Entwicklung von Nuklearwaffen vorantreibt. Kernstück wären klare Begrenzungen des Programms und präzedenzlose Inspektionen durch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA. Iran fordert seinerseits, dass alle Sanktionen aufgehoben werden und dem Land ein Recht auf die Urananreicherung zugestanden wird.

Doch noch ist nicht einmal ein Interimsabkommen erzielt. "Es kann auch sein, dass wir hier trotz aller Bemühung ohne Ergebnis herausgehen müssen", sagte ein Diplomat.

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