Verhandlungen im Vermittlungsausschuss:Schröders Reformpaket droht zu scheitern

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Im Vermittlungsausschuss glauben offenbar weder Regierung noch Opposition, dass sie sich über das Vorziehen der Steuerreform und den Umbau des Arbeitsmarkts einigen. Angesichts der Regierungsvorschläge sei es besser, den jetzigen Zustand zu bewahren, sagte Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch.

(SZ vom 5.12. 2003) - Verhandlungsführer beider Seiten zweifeln zunehmend daran, dass es vor Weihnachten noch zu einem parteiübergreifenden Kompromiss kommt.

"Meine Einschätzung ist, dass es ein Vorziehen der Steuerreform nicht geben wird", sagte der rheinland-pfälzische Finanzminister Gernot Mittler (SPD).

"Das Fenster schließt sich im Moment", warnte Hessens Ministerpräsident Koch.

Während es bei kleineren Vorhaben wie der Steueramnestie und dem Arbeitszeitgesetz eine Einigung gab, kamen die Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses bei den zentralen Themen nicht voran.

Im Bereich der Finanzpolitik blieb unklar, wie die Steuerreform finanziert werden soll.

Die Union lehnt weitere Schulden kategorisch ab. Die frühere Steuersenkung sei "eher unwahrscheinlich" geworden, sagte Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU).

Nur beim Abbau der Eigenheimzulage deutet sich ein Kompromiss an, die Leistung könnte um ein Drittel gekürzt werden.

Auch beim Thema Gewerbesteuer sind die Fronten verhärtet. Beim Arbeitsmarkt hat die Opposition das überarbeitete Konzept von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) abgelehnt.

Nach dem Willen der Union sollen sich die Kommunen, nicht der Bund künftig um die Langzeitarbeitslosen kümmern. Völlig unklar blieb, wie die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe finanziert werden soll.

Aufteilung der Gesetze

Nach Angaben aus Regierungskreisen wird bereits ein Zeitplan für den Fall vorbereitet, dass die Union sich vollständig verweigert.

In diesem Fall würde die Koalition die Gesetze, denen der unionsdominierte Bundesrat nicht zustimmen müsste, von den übrigen Reformvorhaben trennen.

Bundeskanzler Schröder müsste in diesem Fall sowohl auf die vorgezogene Steuerreform als auch auf den wichtigsten Teil der Hartz-Reformen verzichten.

Über seine Mehrheit im Bundestag könnte er nur nachrangige Punkte wie die Neuordnung der Arbeitsämter, die Erhöhung der Tabaksteuer und einen Teil der Handwerksreform durchsetzen.

Spitzenvertreter beider Seiten versuchten am Donnerstag in hektischen Telefonaten und Sitzungen, die verbliebenen Chancen für einen Kompromiss auszuloten.

Zwar gehört es zum Ritual von Vermittlungsverfahren, bis zuletzt auf den jeweiligen Positionen zu beharren. Sowohl in der Regierung als auch bei der Opposition hieß es aber, dass die Lage tatsächlich "sehr verfahren" sei.

Daran ändern auch Kompromisse in einzelnen Punkten nichts. Unter anderem verständigten sich Regierung und Opposition darauf, Steuerflüchtlingen eine Amnestie zu gewähren.

Wer unversteuertes Vermögen 2004 aus dem Ausland zurückholt, bleibt straffrei, muss aber ein Viertel des Geldes beim Fiskus abgeben.

Wer sich drei Monate mehr Zeit lässt, kommt mit einem Abschlag von 35 Prozent davon.

Auch bei der Kapitalbesteuerung kamen sich beide Seiten näher. Das Finanzministerium arbeitet an Plänen für eine Abgeltungssteuer auf Dividenden, Zinsen und Spekulationsgewinne.

Möglicherweise legt Finanzminister Hans Eichel (SPD) einen entsprechenden Gesetzentwurf bereits im kommenden Januar oder Februar vor.

Der Bereitschaftsdienst von Ärzten oder Feuerwehrleuten soll erst nach einer Übergangszeit bis Mai 2005 vollständig als Arbeitszeit gelten. Auch die Pauschalierung der Sozialhilfe ist nicht mehr strittig.

In der Frage der Tarifautonomie will die Union dagegen einen neuen Gesetzentwurf vorlegen, der betriebliche Bündnisse ermöglicht, wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften sich nicht auf Öffnungsklauseln einigen.

"Solche Lösungen haben keine Chance", sagte der Arbeitsminister von Nordrhein-Westfalen, Harald Schartau. Eine Lockerung des Kündigungsschutzes könne er sich aber vorstellen.

© Von Robert Jacobi und Ulrich Schäfer - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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