Verhärtete Fronten:Misere in Mekka

Die Pilgerfahrt nach Mekka ist Pflicht und Höhepunkt im Leben eines jeden gläubigen Muslims. Doch nach Ebola-Angst und Massenpanik sind es in diesem Jahr politische Spannungen, die den Hadsch überschatten.

Von Moritz Baumstieger

18 Millionen Kubikmeter Trinkwasser, 150 Millionen Fladenbrote, 120 000 Tonnen zu importierendes Obst und Gemüse - wenn am Freitag die islamische Pilgerfahrt in Mekka beginnt, müssen die Organisatoren mit gigantischen Zahlen jonglieren. Mit der Versorgung der mehr als zwei Millionen Gläubigen gibt es bisher aber keine Probleme, die saudischen Behörden hatten in den vergangenen Tagen sogar die Muße, 4876 Falschparker rund um die Heilige Moschee abzumahnen.

Der Hadsch, wie die Pilgerfahrt auf Arabisch genannt wird, ist Pflicht im Leben eines jeden Muslims und eigentlich einer der Höhepunkte: Für die Strapazen der Anreise werden die Pilger mit einem einmaligen Gemeinschaftserlebnis belohnt. Die Grenzen zwischen Nationen, Rassen und sozialen Schichten verschwimmen, wenn die Gläubigen sieben Mal um die heilige Kaaba laufen, jeder nur in zwei ungesäumte weiße Tücher gehüllt.

Seit einiger Zeit aber scheint ein Schatten über Mekka zu liegen: 2014 grassierte die Ebola-Angst, letztlich lud man die Pilger aus Westafrika einfach aus. 2015 stürzte erst ein Kran auf die Große Moschee und tötete 111 bereits Angereiste. Am 24. September dann brach eine Massenpanik in einer Zeltstadt aus, in der Pilger untergebracht waren. Nach offiziellen Angaben kostete die Katastrophe 769 Menschen das Leben, unabhängige Zählungen kamen auf mehr als 2400 Tote.

Und in diesem Jahr, dem 1437. islamischer Zählung? Sind die Behörden nervös, dass nicht alle Pilger in friedlicher Absicht kommen. 11 000 Gläubige werden aus Gebieten der syrischen Rebellen erwartet, weitere 19 000 aus dem Nachbarland Jemen, in dem Saudi-Arabiens Luftwaffe einen gnadenlosen Krieg gegen schiitische Aufständische führt. "Unsere Konsularabteilungen im Ausland überprüfen die Hintergründe eines jeden Pilgers genau", sagte der Leiter der Einreisebehörde Sulaiman al-Yahya. Keine einzige verdächtige Person werde einreisen.

Noch mehr Aufruhr verursachen aber bisher jene, die gar nicht kommen werden: Nach der Massenpanik im vorigen Jahr untersagte Iran seinen Bürgern die Teilnahme an der Pilgerfahrt - offiziell aus Sicherheitsgründen. Iran und Saudi-Arabien trennt vieles: Der eine Staat versteht sich als Schutzmacht der Schiiten, der andere als Führer der Sunniten. So ringen beide um die Vorherrschaft am Golf und unterstützen in Jemen und Syrien verfeindete Bürgerkriegsparteien. Doch dass Irans Revolutionsführer Ali Chamenei die Saudis als "kleine und kümmerliche Teufel" und "Mörder" bezeichnet, die die Katastrophe von 2015 mutwillig herbeigeführt hätten, hat eine neue Qualität.

Chamenei fordert, dass dem saudischen Königshaus die Aufsicht über die heiligen Stätten in Mekka und Medina entzogen wird. Um die Saudis schlecht aussehen zu lassen, wurde eine weitere Nachricht lanciert: Die Armbänder mit Personendaten, die Pilger nun tragen müssen, um Hilfskräften im Katastrophenfall die Arbeit zu erleichtern, stelle die Sicherheitsfirma G4S her, heißt es auf iranischen Internetseiten. Weiter ist zu lesen, dass G4S sonst für Israels Sicherheitsdienste arbeite, also quasi den Erzfeind. Fakt ist jedoch: Die Bänder gibt es, die Firma G4S stellt sie nach eigenen Angaben aber nicht her.

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