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Vergifteter Ex-Agent:Fall Skripal: EU zieht Botschafter aus Moskau ab

  • EU-Ratspräsident Donald Tusk erklärte, die EU stimme mir Großbritannien überein, dass es "sehr wahrscheinlich sei", dass Russland für den Anschlag verantwortlich sei. Der EU-Botschafter in Moskau wird zurückgerufen.
  • Zuvor hatte ein britischer Richter der Organisation für das Verbot chemischer Waffen erlaubt, das Blut des vergifteten russischen Ex-Agenten Sergej Skripal und von dessen Tochter Julia Skripal zu untersuchen.
  • Williams urteilte auf der Grundlage, dass Skripal und seine Tochter nicht bei Bewusstsein sind und deswegen keine Entscheidungen treffen können. Das Gericht geht offenbar nicht davon aus, dass sie vollständig genesen.

Im Fall des Giftanschlags auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal hat sich die EU mit Großbritannien solidarisch erklärt. Man stimme überein, dass es "sehr wahrscheinlich sei", dass Russland für den Anschlag verantwortlich sei und es keine andere plausible Erklärung gebe, teilte Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstagabend am Rande des EU-Gipfels in Brüssel per Twitter mit.

Die EU ruft zudem ihren Botschafter in Moskau für Konsultationen zurück. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollten damit ihre Entschlossenheit zeigen, sagte ein EU-Vertreter in der Nacht zum Freitag.

Noch am Montag hatte sich die EU bei einem Außenministertreffen nicht auf eine klare Schuldzuweisung in Richtung Russland einigen können. Damals hatte es geheißen, die EU nehme die Einschätzung Großbritanniens sehr ernst, dass höchstwahrscheinlich Russland für den Anschlag verantwortlich sei.

Am Donnerstag hatte ein britischer Richter internationalen Chemiewaffenexperten die Erlaubnis erteilt, Blutproben des vergifteten russischen Ex-Agenten Sergej Skripal und von dessen Tochter Julia Skripal zu untersuchen.

Es sei "rechtmäßig", dass Ärzte den beiden Blut abnähmen, um dieses sowie "Kopien ärztlicher Notizen" der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zur Verfügung zu stellen, urteilte Richter David Williams.

Der frühere russische Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julia waren am 4. März in der südenglischen Stadt Salisbury vergiftet worden. Die beiden befinden sich seitdem in einem ernsten Zustand.

"Zu einem bislang unbekannten und nicht feststellbaren Grad eingeschränkt"

Williams urteilte auf der Grundlage, dass Skripal und seine Tochter nicht bei Bewusstsein sind und deswegen keine Entscheidungen treffen können. Das Gericht geht offenbar nicht davon aus, dass sie vollständig genesen. Wie genau sich die Vergiftung langfristig auswirken werde, sei unklar, aber "medizinische Tests deuten darauf hin, dass ihre mentale Kapazität zu einem bislang unbekannten und nicht feststellbaren Grad eingeschränkt sein wird", erklärte der Richter dem Guardian zufolge.

Unterdessen meldete BBC, dass der Polizist, der ebenfalls vergiftet worden war, nun das Krankenhaus verlassen konnte. Er war bei den Ermittlungen mit dem Gift in Berührung gekommen.

Die britische Regierung macht Russland für den Giftanschlag verantwortlich und geht davon aus, dass dabei ein Gift der Nowitschok-Gruppe aus sowjetischer Produktion zum Einsatz kam. Russland weist dies von sich und bestreitet auch die Herstellung von Nowitschok.

Der Fall Skripal löste eine schwere Krise in den Beziehungen zwischen London und Moskau aus. Nachdem Großbritannien die Ausweisung von 23 russischen Diplomaten angeordnet hatte, reagierte Russland mit einem entsprechenden Schritt. Die OPCW untersucht den Fall. Die Analyse wird nach Angaben der Organisation bis zu drei Wochen dauern.

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