Vor wenigen Tagen veröffentlichte das christliche Hilfswerk Open Doors den Weltverfolungsindex 2013. Daraus geht hervor, dass weltweit etwa 100 Millionen Christen verfolgt werden. Am schlimmsten ist die Lage in Nordkorea.
Auch andere religiöse Minderheiten wie die muslimischen Rohingya in Myanmar oder die Uiguren in China sind staatlicher Willkür und Unterdrückung ausgesetzt. Die Organisation Minority Rights Group International verfolgt die internationalen Entwicklungen und setzt sich für den Schutz von Minderheiten weltweit ein. Geschäftsführer Mark Lattimer erklärt im Gespräch mit Süddeutsche.de, warum Menschen gegen Minderheiten vorgehen und wie die Verfolgung religiöser Minderheiten den klassischen Rassismus abgelöst hat.
SZ.de: Herr Lattimer, wo geht es Minderheiten derzeit am schlechtesten?
Mark Lattimer: Zunächst einmal gibt es meist nicht nur "die eine" Minderheit. Die Rohingya in Myanmar zum Beispiel sind Muslime im buddhistisch geprägten Myanmar. Sie sprechen eine andere Sprache als die Birmanen und haben allein aufgrund ihrer Religion andere Rituale. Damit sind sie gleichzeitig eine religiöse, ethnische, sprachliche und kulturelle Minderheit. Doch den besorgniserregendsten Trend bei der Unterdrückung stellen wir im Nahen Osten fest. Dort sind religiöse Minderheiten derzeit massiver brutaler Verfolgung ausgesetzt.
Gegen wen richtet sich die Gewalt dort besonders?
Vor allem die Christen sind bedroht. Im Irak etwa wird die christliche Minderheit der Assyrer und Chaldäer aus dem Land vertrieben und systematisch ausgelöscht. Seit Beginn des Irak-Kriegs 2003 hat sich der Anteil der christlichen Bevölkerung von etwa 1,2 Millionen um mehr als die Hälfte reduziert. In Nordkorea gelten Christen als politische Straftäter. Folter, Hinrichtungen und barbarische Experimente sind in nordkoreanischen Arbeitslagern für sie Alltag.
Warum werden immer häufiger religiöse Minderheiten verfolgt?
Das hängt vor allem mit den Terroranschlägen des 11. September 2001 zusammen. Die Attentäter rechtfertigten ihre Taten damals mit dem Glauben an den Islam. Darauf konzentrierte sich dann die Sicherheitsdebatte im Westen und legitimierte die Gewalt gegen islamische Staaten zum eigenen Schutz. Das schürt natürlich Hass und Misstrauen zwischen Christen und Muslimen. Deswegen werden auch Christen im Irak derzeit besonders verfolgt. Sie werden für Alliierte des christlichen Westens gehalten. Die Verfolgung religiöser Minderheiten, das ist der Rassismus des 21. Jahrhunderts.