Süddeutsche Zeitung

Verfolgte Rohingya:Aung San Suu Kyis Rede verspricht nichts Gutes für die Zukunft Myanmars

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Von Arne Perras, Singapur

Auf ein bedeutsames Wort von Aung San Suu Kyi hatte die Welt in der Krise um Flucht und Vertreibung der Muslime aus Myanmar nun schon lange gewartet. An diesem Dienstagvormittag trat die "Staatsberaterin" und Außenministerin schließlich ans Mikrofon. Das Plakat hinter ihr versprach eine Rede "mit Blick auf nationale Versöhnung und Frieden". Sie redete 31 Minuten lang und nannte ihre Darstellungen selbst ein "diplomatisches Briefing". Und wer ihr zuhörte, konnte dabei mindestens drei verblüffende Beobachtungen machen.

Nein, sie hat das Krisengebiet Rakhine im Westen diesmal nicht verbal umschifft. Sie hat sogar recht viel über das Gebiet geredet, wo die Gewalt eskaliert und schon 400 000 Angehörige der muslimischen Minderheit ins Nachbarland Bangladesch geflohen sind. Aber hat sie auch Antworten gegeben auf das, was die Welt gerne wüsste? Wie konnte es so weit kommen? Und was tut die Wahlsiegerin dafür, das Leiden und die Gewalt zu stoppen? Während man also gespannt wartete, wie sie darauf eingeht, versetzte die Lady die fragende Welt plötzlich mit einer eigenen Frage in Erstaunen: "Wir wollen herausfinden, warum es diesen Exodus gibt", sagt Aung Sang Suu Kyi. Sie wüsste selber gerne mehr darüber.

Das war der bizarrste Moment in dieser halben Stunde. Denn nun klang sie wie eine Akademikerin, die sich nüchtern und distanziert über ein sehr komplexes Problem beugt und ihre Studenten mit einer interessanten Frage an das Thema heranführen will. Ist sie denn nicht vom Volk gewählt, um dieses Land zu führen? Um zu handeln, zu entscheiden, auch um Menschen in akuter Not zu schützen? Ihre Rede legt nahe, dass sie sich entweder absichtlich ahnungslos gibt. Oder dass sie tatsächlich kaum etwas erfährt über die Gewalt in den Kampfgebieten, wo das mächtige Militär die Befehle gibt. Beide Möglichkeiten verheißen für die Zukunft in Myanmar nichts Gutes.

Zwar hat die Lady recht, wenn sie betont, dass Friede überhaupt erst möglich ist, wenn die Ursachen von Hass und Angst beseitigt werden. Aber das wird lange dauern. Und so wichtig eine richtige Diagnose des Konfliktes ist: Sie ersetzt nicht das nötige akute Krisenmanagement, sie ist kein Ersatz für politische Führung, die ganz offenkundig fehlt in diesem Land, das im Verborgenen noch immer von den Generälen gelenkt wird, zumindest, wenn es um Krieg und Frieden geht.

Noch verblüffender war, dass sie Freunde und Diplomaten schließlich aufforderte, sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Aber eben dort, wo Muslime nicht geflohen seien, wo das Zusammenleben noch funktioniere. Man mag daraus sicher vieles lernen. Aber viel wichtiger wäre es, Zugang in alle Gebiete zu bekommen, wo die Gewalt eskalierte. Wie sonst soll je ein klares Bild entstehen? Immerhin blockiert Myanmar seit vielen Monaten eine Fact-Finding-Mission der Vereinten Nationen und weckt damit den Verdacht, es vertusche in Rakhine schwere Verbrechen.

Am wichtigsten in dieser Rede war schließlich ein großes Versprechen: Alle Menschenrechtsverletzungen würden nach den strengen Normen des Rechts behandelt, kündigte Aung San Suu Kyi an. Sie verurteilte "ungesetzliche Gewalt" und erklärte, dass die Sicherheitskräfte strikte Befehle hätten, "Kollateralschäden" zu vermeiden und alles zu unternehmen, um "Verletzungen von Zivilisten" zu vermeiden. Ob sich die Soldaten daran halten, führte die Lady nicht aus.

Immerhin: An ihrem Versprechen, dass der Staat keine Straflosigkeit zulasse, dürfte Aung San Suu Kyi später noch gemessen werden. Viel Hoffnung, dass ihr das tatsächlich gelingen wird, verbreitete sie mit dieser Rede nicht. Denn aus langen Passagen sprach vor allem: Ohnmacht. Die Worte von Aung San Suu Kyi bekräftigten vor allem die Macht jener, die an diesem Tag nicht gesprochen haben. Es sind die Generäle, die den Militäreinsatz in Rakhine mit großer Härte führen.

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