Verfolgte Bürgerrechtler:Gefährliche Zuflucht

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Proteste vor der Russischen Botschaft in Berlin nach der Ermordung eines Georgiers mit tschetschenischen Wurzeln. (Foto: Olaf Wagner via www.imago-images.de/imago images/Olaf Wagner)

Deutschland schütze geflohene Oppositionelle aus Unrechtsstaaten nicht gut genug vor Verfolgern, kritisiert die FDP - und wirft den Behörden "Versagen" vor.

Von Daniel Brössler, Berlin

Der iranische Blogger und Dissident Ruhollah Sam war in Sicherheit. Eigentlich. Bis Sam von seinem französischen Exil aus in den Irak gelockt von dort nach Iran verschleppt wurde. Dort wurde er am Samstag hingerichtet. Wiewohl Sam nicht in Deutschland lebte, taucht sein Fall im neuesten Bericht des Verfassungsschutzes auf. Der Fall unterstreiche "das aggressive Vorgehen Irans auch gegen im Ausland lebende Oppositionelle", heißt es dort. Dahinter steht das Eingeständnis, dass geflohene Oppositionelle sich auch in Deutschland nicht wirklich sicher fühlen können. Und das nicht nur, wenn sie aus Iran stammen.

Im August 2019 wurde ein Georgier tschetschenischer Abstammung im Kleinen Tiergarten in Berlin getötet. Der mutmaßliche Auftragsmörder aus Russland steht derzeit in Berlin vor Gericht. Chinesen, Türken, Vietnamesen, Ägypter - die Liste derer, die auch in Deutschland Verfolger aus der Heimat fürchten müssen, ist nach Einschätzung des Verfassungsschutzes lang. Auch wenn die Verfolger zumeist keine Killer sind. "Diese mutigen Menschen haben in ihren Heimatländern ihr Leben riskiert, um sich für die Menschenrechte ihrer Mitbürger einzusetzen und dafür jahrelang in größter Angst gelebt", beklagt die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Gyde Jensen (FDP).

Wenn an diesem Donnerstag der Bundestag über die internationale Lage der Menschenrechte debattiert, soll er sich nach dem Willen der FDP auch dem Schicksal jener widmen, die in Deutschland Schutz suchen, aber nicht verlässlich finden. "Wir sind es diesen Menschen schuldig, alles zu tun, damit die Schikanen hier im Exil nicht weitergehen", sagt Jensen. Zu diesem Zweck bringen die Liberalen einen Antrag ein, der die deutschen Behörden verpflichten würde, Oppositionelle deutlich besser zu schützen vor der Drangsalierung und dem Zugriff ihrer heimatlichen Geheimdienste , die zum Teil mit einer "knallharten Agenda" gegen ihre Landsleute vorgingen, wie Benjamin Strasser, FDP-Obmann im Innenausschuss, sagt.

Einschüchtern, bedrohen, kriminalisieren

Aufgelistet werden von der FDP vielfältige Methoden der Einschüchterung und Verfolgung. So werden Oppositionelle, etwa aus Vietnam, in sozialen Netzwerken bedroht. Zum Einsatz kommen häufig auch Hacker. Etliche Regierungen schreiben Oppositionelle auch als angebliche Kriminelle international zur Fahndung aus. Die FDP beklagt ein "Versagen deutscher Behörden" dabei, Betroffene vor "autokratischen Staaten zu schützen und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung zu gewährleisten". Von der Bundesregierung verlangt sie deshalb Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtlern und Dissidenten aus Drittstaaten.

Geschaffen werden soll eine Kontaktstelle beim Bundeskriminalamt, an die sich Betroffene im Bedrohungsfall wenden können. Sichergestellt werden müsse auch, dass sich die Aktivisten "anonym und sicher im Netz bewegen können" und Drohungen in den sozialen Netzwerken strafrechtlich besser verfolgt werden . "Deutschland muss", fordert die FDP-Abgeordnete Jensen, "ein sicherer Hafen für Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger weltweit sein".

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