Reform des Geheimdienstes:Friedrich will Verfassungsschutz mehr Macht geben

Der Verfassungsschutz soll sich nach dem Willen von Innenminister Friedrich künftig auf die Abwehr von Gewalttaten konzentrieren und dazu mehr Kompetenzen gegenüber den Ländern erhalten. Ralf Jäger, Innenminister von Nordrhein-Westfalen, sieht darin ein Sicherheitsrisiko.

Susanne Höll, Berlin

Zwischen dem Bundesinnenministerium und großen Bundesländern ist ein offener Streit über die Reform des Verfassungsschutzes ausgebrochen. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) lehnte den Wunsch von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nach Befugnissen für das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) strikt ab.

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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich versucht, vor der Innenministerkonferenz die Bedenken der Länder zu zerstreuen.

(Foto: dapd)

"Eine zentralistische Mega-Behörde statt parlamentarischer Kontrolle vor Ort ist ein Sicherheitsrisiko", erklärte Jäger unmittelbar vor dem Sondertreffen der Innenminister zur Verfassungsschutzreform an diesem Dienstag in Berlin. Er, Jäger, sehe die Zukunft des Verfassungsschutzes in einer besseren Kooperation des Bundes und der Länder. Nötig seien gemeinsame Leitlinien für die künftige Neuausrichtung der Nachrichtendienste.

Friedrich ist nach Angaben aus Sicherheitskreisen entschlossen, dem Bundesamt künftig mehr Kompetenzen im Kampf gegen gefährliche Extremisten einzuräumen und bemüht sich um Zustimmung der zum Teil äußerst skeptischen Länder. Während einige ostdeutsche Länder, etwa Sachsen, bereit sind, dem Bund Befugnisse abzutreten, gibt es auch in Bayern, Niedersachsen und anderswo Einwände.

Vor der Sonderkonferenz versuchte das Bundesinnenministerium deshalb, Bedenken in den Ländern zu zerstreuen. Friedrich wolle nicht die Dienste der Länder entmachten, hieß es in den Kreisen. Es sei nicht geplant, dass einzig das Bundesamt künftig die Bekämpfung gewalttätiger oder terroristischer Extremisten übernehmen solle.

Die Länder sollten nach wie vor jeden bedrohlichen Extremismus von rechts und links, Islamisten und Ausländern sowie die Spionage beobachten. Bei gewalttätigen Bedrohungen soll das BfV aber in den Ländern selbst Informationen sammeln können, die Ermittlungen koordinieren und die Auswertung der Daten an sich ziehen können. Dazu will Friedrich das Bundesverfassungsschutzgesetz ändern. Ohne Zustimmung des Koalitionspartners FDP und der Bundesländer wird das nicht möglich sein.

Niemanden mehr aus den Augen verlieren

Friedrich wolle als Konsequenz aus den Geheimdienstpannen in der Neonazi-Mordserie auch die Arbeit des BfV neu organisieren, hieß es. Die Kölner Behörde solle sich auf die Abwehr gewalttätiger Extremisten konzentrieren. Die umstrittene Beobachtung von Bundestagsabgeordneten der Linkspartei würde er gern an die Länder abtreten. Auch soll der Verfassungsschutz künftig stärker Personen im Auge behalten statt, wie bislang, vor allem ganze Gruppierungen. Es dürfe nie wieder passieren, dass Dienste Extremisten wie die drei Mitglieder des rechtsextremen Trios Nationalsozialistischer Untergrund aus den Augen verlören.

Auch wolle Friedrich den Blick der Sicherheitsbehörden des Bundes für Bedrohungen aus allen Richtungen schärfen und das bestehende Abwehrzentrum von Bund und Ländern gegen rechts erweitern. Vertreter des BfV und des Bundeskriminalamts sollen dort auch ihre Erkenntnisse über Linksextreme, ausländische Radikale, Cyber-Bedrohungen und Spione austauschen. Die Bundesländer, die bislang nur ihre Rechtsextremismus-Fachleute dorthin entsenden, seien eingeladen, weitere Experten zu schicken. Auch soll das BfV künftig zwei Vizepräsidenten haben, von denen sich einer auf die Koordinierung der Arbeit in der Behörde konzentriert.

Friedrich wolle auch den Umgang mit Verfassungsschutzspitzeln strenger regeln, hieß es in den Kreisen weiter. Beim BfV soll eine Stelle eingerichtet werden, die einen vollständigen Überblick über alle V-Leute in ganz Deutschland hat. Damit soll verhindert werden, dass ein V-Mann von zwei Diensten bezahlt wird oder ein Spitzel V-Leute eines anderen Amts beobachtet.

Auch will Friedrich den bislang zögerlichen Informationsaustausch unter den Diensten mit einer Gesetzesänderung verbessern. Zudem sollen frühere Vorschläge nach mehr Datenspeicherung vorgelegt werden. Die waren bereits im Kampf gegen rechtsextremistische Gewalt im Gespräch, scheiterten aber in der schwarz-gelben Bundesregierung am Widerstand der FDP.

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