Süddeutsche Zeitung

SZ-Wahlzentrale:Verfassungsschutz warnt vor Cyberattacken bei Bundestagswahl

  • "Die zunehmende Zahl von Cyberangriffen stellt Deutschland vor große Herausforderungen", sagt Bundesinnenminister de Maizière bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2016 in Berlin.
  • Die größte Herausforderung für die Verfassungsschützer ist BfV-Präsident Maaßen zufolge jedoch immer noch der islamistische Terror.
  • Bei Mitgliedern rechts- und linksextremer Strömungen macht der Regierung vor allem deren "hohe Gewaltbereitschaft" sorgen.

Von Barbara Galaktionow

Deutschland ist immer stärker Ziel von Spionageaktivitäten ausländischer Geheimdienste. "Die zunehmende Zahl von Cyberangriffen stellt Deutschland vor große Herausforderungen", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts in Berlin.

Hauptakteure sind ihm zufolge Russland, China und Iran. Doch auch "illegale Tätigkeiten türkischer Stellen", stünden immer mehr im Fokus. Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), verwies auch auf zunehmende Aktivitäten des türkischen Geheimdiensts MİT.

Besondere Aufmerksamkeit finden im Bundestagswahljahr die mutmaßlichen Spähaktivitäten von russischer Seite. De Maizière verwies auf mutmaßliche Cyberangriffe auf die Wahlen in den USA und Frankreich. Die Regierung stelle sich darauf ein, dass es auch in Deutschland entsprechende Versuche geben werde, die Wahlen zu beeinflussen.

Verfassungsschutzpräsident Maaßen sieht dabei weniger die Gefahr, dass "Russland oder ein anderer Staat einen bestimmten Kandidaten unterstützen" würde. Die Zielrichtung von Cyberangriffen sei vielmehr, dass das "Vertrauen in das Funktionieren unserer Demokratie geschädigt" werde. Was die Stimmabgabe selbst angeht, sei Deutschland weniger gefährdet als beispielsweise die USA, da hier das Abstimmverfahren "konservativer" sei.

Größte Herausforderung: Islamistischer Terrorismus

Neben Cyberattacken sind es Maaßen zufolge vor allem zwei Gebiete, die die Verfassungsschützer umtreiben. Der "islamistische Terrorismus" stelle "derzeit die größte Herausforderung dar", sagte er. Außerdem beobachte der Verfassungsschutz wachsenden inländischen Extremismus.

Seit 2015 habe es in Europa 29 islamistische Anschläge gegeben, davon fünf in Deutschland. Hinzu kämen verhinderte oder missglückte Anschläge, sagte Maaßen. 680 sogenannte Gefährder gab es Innenminister de Maizière zufolge 2016 in Deutschland, das seien "so viele wie nie zuvor". Sie seien fast durchgängig salafistisch geprägt und verträten ein "entschiedenes Gegenmodell" zur freiheitlich-westlichen Gesellschaft.

Durch die Zurückdrängung der Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien und im Irak sei die "Gefahr für Deutschland nicht gebannt - eher im Gegenteil", sagte Maaßen. Einher mit der Zunahme der Gefährdung gehe auch eine "deutliche Zunahme von Gefährdungshinweisen". Allein aus der Bevölkerung habe der Verfassungsschutz im vergangenen Jahr 1100 Hinweise erhalten - 2013 seien es 103 gewesen. 80 Prozent der Hinweise im Jahr 2016 waren Maaßen zufolge "so solide, dass wir ihnen nachgehen mussten".

"Hohe Gewaltbereitschaft" bei Rechts- und Linksextremen

Aufmerksam beobachtet der Verfassungsschutz auch die Entwicklung extremistischer Strömungen. Besonders hervorhob de Maizière zum einen den "nicht islamistischen, ausländischen Extremismus" in Deutschland. Von 30 000 Personen, die dabei im Visier des Verfassungsschutzes stünden, hätten 27 000 einen Bezug zur Türkei. Deutschland werde zum "Spiegel und Resonanzboden innertürkischer Ereignisse". Neben linksextremen Strömungen wie beispielsweise der Kurdischen Arbeiterpartei PKK träte dabei auch eine "beachtliche Zahl" türkischer Rechtsextremisten.

Bei deutschen Rechts- und Linksextremen macht der Regierung vor allem die "hohe Gewaltbereitschaft" sorgen, so de Maizière. Von den etwa 23 000 Personen, die der Verfassungsschutz dem rechtsextremen Spektrum in Deutschland zurechnet, gilt mehr als die Hälfte als gewaltbereit. Von den etwa 28 000 Linksextremen werden etwa 8500 vom Verfassungsschutz als gewaltorientiert angesehen.

Erstmals im Verfassungsschutzbericht enthalten ist die Bewegung der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter, die die Autorität der Bundesrepublik nicht anerkennen. 12 800 Personen gehören dem Minister zufolge dieser Szene an, davon seien 800 "offen rechtsextremistisch", viele hätten eine "hohe Affinität zu Waffen".

Vor dem G-20-Gipfel in Hamburg richtet sich der Fokus der Behörden besonders auf den Linksextremismus. 2016 gab es laut Verfassungsschutz weniger linksextremistische Straf- und Gewalttaten, aber mit 28 500 so viele linksextremistische Menschen wie nie zuvor.

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