Verfassungsschutz:Verdachtssplitter genügen nicht

Warum das Kölner Verwaltungsgericht der AfD recht gab.

Von S. Pittelkow, N. Richter, K. Riedel

Richtet sich die Politik der AfD gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik? Als das Bundesamt für Verfassungsschutz im Januar zu dieser Frage Stellung nahm, antwortete es mit einem entschiedenen Jein. Zwar gebe es "erste tatsächliche Anhaltspunkte" für eine gegen die Grundordnung des Staates gerichtete Politik der AfD. Diese "Verdachtssplitter" seien aber nicht hinreichend verdichtet, um eine systematische Beobachtung mithilfe nachrichtendienstlicher Mittel einzuleiten. "Die Partei wird daher zunächst lediglich als Prüffall bearbeitet", erklärte das Bundesamt.

Diese Unentschlossenheit bereitet den Verfassungsschützern jetzt Schwierigkeiten: Das Verwaltungsgericht Köln hat am Dienstag in einem Eilverfahren entschieden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD nicht mehr als Prüffall bezeichnen darf. Der Beschluss lässt sich so zusammenfassen: Ein paar Verdachtssplitter reichen eben nicht aus, um eine Partei als Prüffall zu brandmarken. In seinem 22-seitigen Beschluss stellt das Gericht zunächst fest, dass der Verfassungsschutz mit der öffentlichen Einordnung der AfD als Prüffall in die Rechte der Partei eingegriffen habe. Es könne nämlich sein, dass potenzielle Wähler die Äußerungen des Bundesamtes zum Anlass nähmen, sich von der AfD "abzuwenden".

Der Verfassungsschutz solle sich nicht "von einem Blasorchester begleiten lassen", sagt der Anwalt

Ein solcher Eingriff ist nur zulässig, wenn der Staat ihn rechtfertigen kann, zum Beispiel durch ein Gesetz. Das Verfassungsschutzgesetz erlaubt es dem Bundesamt zwar, die Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen zu informieren, allerdings nur dann, wenn es "hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte" dafür gibt. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass der Staat nicht beliebig informiert, sondern nur über Verdachtsmomente mit einem gewissen Gewicht.

Aus Sicht der Verwaltungsrichter in Köln sind die bisherigen Anhaltspunkte gegen die AfD allerdings nicht gewichtig genug, weil der Verfassungsschutz ja nach seinen eigenen Worten nicht mehr als "Verdachtssplitter" gesammelt hat. Der "Verdachtsgrad" gegen die AfD, befand das Gericht, erreiche also nicht eine "Intensität", die eine Veröffentlichung rechtfertige.

Christian Conrad, der Anwalt der AfD, fasste seine Sicht so zusammen: "Man kann ja vieles prüfen, aber man muss sich dabei nicht mit Scheinwerfern beleuchten und von einem Blasorchester begleiten lassen. Man kann seine Arbeit auch in aller Stille und Seriosität machen. Und manchmal muss man das sogar."

Die Verwaltungsrichter ließen sich auf ein Eilverfahren ein, weil neben der Europawahl in diesem Jahr auch mehrere Landtagswahlen anstehen. Hätte das Bundesamt die AfD weiter als Prüffall bezeichnet, hätte sich "der bereits eingetretene Schaden ... vertiefen" können. Der Verfassungsschutz kann gegen den Kölner Beschluss Beschwerde einlegen. Zweifel am bisherigen Vorgehen der Verfassungsschützer haben auch die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags geäußert: Einem Gutachten zufolge spricht viel dagegen, dass es eine ausreichende gesetzliche Grundlage dafür gebe, die Öffentlichkeit über Prüffälle zu informieren.

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