Süddeutsche Zeitung

Verfassungsschutz und die Linkspartei:Liebe Agenten: Die SED gibt es nicht mehr

Der Verfassungsschutz hat sich in erster Linie mit Spionage-Bekämpfung und dem Linksextremismus beschäftigt. In dieser Zeit ist er steckengeblieben. Beim rechtsextremen Terrorismus hingegen hat er vollkommen versagt, sich aber mit Verve der Beobachtung von 27 Abgeordneten der Linkspartei gewidmet. Und die Begründung von Innenminister Friedrich? Heilige Einfalt!

Kurt Kister

Hans-Peter Friedrich von der CSU wurde durch einen Unfall - Stichwort: Guttenberg - Innenminister im Kabinett Merkel. Friedrich, ein netter Lockenkopf, ringt bis heute heftig damit, jenes Amt auszufüllen, das vor ihm Schäuble und de Maizière innehatten. Wie erfolglos dieses Ringen manchmal ist, lässt sich an einem Teil seiner Begründung für die Beobachtung von Bundestagsabgeordneten der Linkspartei durch den Verfassungsschutz erkennen.

Man müsse, so sagt Friedrich, die Linken auch deswegen beobachten, weil man sonst nicht begründen könne, Landtagsabgeordnete der NPD zu überwachen. Schließlich gelte der Gleichbehandlungsgrundsatz. Heilige Einfalt. Wenn man glaubt, Extremisten beobachten zu müssen, dann doch wegen ihrer verfassungsfeindlichen Bestrebungen und nicht aus Proporzgründen.

Jenseits von Friedrichs Unvernunft und der rituellen Kabbeleien zwischen CSU und FDP bleibt festzuhalten: Im Bundestag sitzt gegenwärtig niemand, den ein Staatsschützer geheim oder offen bespitzeln müsste oder sollte. Der immer wiederkehrende Versuch, gerade aus den Reihen der CSU, die Linkspartei und deren angebliches Extremismuspotential in die Nähe der NPD zu rücken, ist ein durchschaubares politisches Manöver. Der Einsatz eines Geheimdienstes im Meinungskampf aber verstößt eindeutig gegen den Geist der Verfassung.

Der Verfassungsschutz ist gnadenlos veraltet

Es gibt gute Gründe, wichtige Positionen der Linkspartei abzulehnen. In dieser Partei sind viele Leute organisiert, die ein anderes System wollen, und durchaus auch solche, die bis heute den Unrechtsstaat DDR schönreden. Eine Bundesregierung unter Beteiligung der Linkspartei wäre dem Land nicht zuträglich. Aber trotz alledem ist diese Partei nicht gefährlich, und ihre Abgeordneten stehen nicht in dem Verdacht, sich gegen die Verfassung verschwören zu wollen - ganz abgesehen davon, dass sie das organisatorisch nicht auf die Reihe brächten.

Der Verfassungsschutz hat sich lange und in erster Linie mit der Bekämpfung der Spionage, vor allem jener aus der DDR, sowie dem westdeutschen Linksextremismus beschäftigt. Er ist in dieser Zeit steckengeblieben. Es ist lächerlich, wenn Agenten Zeitungen und das Netz flöhen, um ihre Besinnungsaufsätze gegen die Ex-PDS zu schreiben. Aber es ist auch ärgerlich, wenn man an das Rundum-Versagen des Verfassungsschutzes beim rechtsextremen Terrorismus denkt.

Zurzeit überbieten sich Talkshowdenker mit Forderungen, dieses oder jenes abzuschaffen: das Amt des Bundespräsidenten etwa oder den Euro. Beim Verfassungsschutz spricht tatsächlich vieles für tief schneidende Reformen sowie eine weitreichende Entföderalisierung. In seinem Byzantinismus ist der Verfassungsschutz uneffektiv, er ist gnadenlos veraltet und in seinem Weltbild auch anfällig für politischen Missbrauch. Die nächste Bundesregierung sollte sich den Verkleinerungs-Umbau dieses antiquierten Geheimdienstes dringend vornehmen.

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SZ vom 25.01.2012/ros/lala
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