Süddeutsche Zeitung

Verfassungsschutz:Neue Chefin gegen Rechts

Felor Badenberg wurde im Iran geboren, später gehörte die Juristin zum engeren Kreis des ehemaligen Verfassungsschutz-Präsidenten Hans Georg Maaßen. Nun leitet sie die dort die Abteilung Rechtsextremismus. Über eine Frau, die schon oft starke Nerven bewiesen hat.

Von Ronen Steinke

Wenn früher die Sprache gegenüber Rechtsradikalen manchmal zurückhaltend, manchmal auch beschönigend war, ist sie jetzt viel klarer geworden. Dass sich die Tonlage beim Bundesamt für Verfassungsschutz stark gewandelt hat seit den Tagen von Hans-Georg Maaßen, erkennen auch Kritiker des Inlandsgeheimdienstes an. Nun gibt es zu dieser neuen Tonlage auch ein neues Gesicht. An die Spitze der Abteilung Rechtsextremismus ist die 45 Jahre alte Juristin Felor Badenberg gerückt. Die zierliche Frau, die im Kölner Bundesamt oft beim Plausch in der Raucherecke gesichtet wird, ist bislang nicht als Expertin für Neonazi-Strukturen aufgefallen. Dafür aber mit großer Klarheit und Energie.

Politisch ist sie nicht leicht zu verorten. Während des Studiums in Köln musste Felor Badenberg kellnern, für Campus-Politik blieb wenig Zeit. Die Doktorarbeit, bei deren Überschrift man auch nicht unbedingt an eine Geheimdienstkarriere denken würde - "Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung unter Berücksichtigung der Problematik der anonymen Geburt" -, stellte sie fertig, als gerade ihr Sohn geboren wurde. Felor Badenberg suchte einen Beamtenjob, der es ihr ermöglichen würde, in Köln zu bleiben. Womit sie dann aber früh auffiel, das waren starke Nerven.

2011, als Maaßen gerade neu als Präsident ins Bundesamt für Verfassungsschutz gekommen war und viele altgediente, aber durch dubiose Vorgänge belastete Geheimdienstler entlassen werden sollten, leitete die freundlich-hartnäckige Felor Badenberg das Personalreferat. Ein interessanter Ort in diesem Moment. Sie organisierte das unfreiwillige Ausscheiden älterer und mächtiger Kollegen nahezu reibungslos. Maaßen holte sie in seinen engeren Kreis. Sie wurde für seine regelmäßigen Berichte an Abgeordnete und Regierungsmitglieder verantwortlich. Genau genommen also auch für Maaßens oft provozierend entspannten Ton beim Blick nach rechts.

Als 2015 eine mysteriöse Hackerattacke auf den Bundestag zeigte, wie schlecht der Staat gegen digitale Angriffe geschützt war, erhielt sie den Auftrag, die Einheit für Cyber-Abwehr zu übernehmen. Wieder eine interessante Aufgabe. Badenberg konnte das Budget vervielfachen, das Personal auch. Das Ziel: Den bis dahin in digitalen Dingen wenig ernst zu nehmenden Verfassungsschutz im internationalen Geheimdienstgeschäft respektabel machen. Felor Badenberg, sagen Fachleute von außen, reüssierte.

Zu den besonders umtriebigen Angreifern in der Cyberwelt zählt neben Russland auch Iran. Badenberg, die 1975 in Teheran geboren wurde und im Alter von zwölf Jahren mit ihren Eltern nach Köln gekommen ist, konnte aus ihren speziellen Sprachkenntnissen aber keine Vorteile ziehen. Dass sie Farsi spricht, half nicht, denn die Hacker benutzten Programmiersprachen. Eher hat ihre Herkunft bedeutet, dass sie einen besonders hohen Preis gezahlt hat für ihre Karriere beim Verfassungsschutz. Wer dort arbeitet, darf nicht mehr privat nach Iran reisen. Auch nicht, um Familienangehörige zu besuchen. So sind die Regeln. Felor Badenberg - der Vorname, mit kurzem e und langem o, ist aus dem Französischen ins Farsi gelangt und bedeutet Blume - wusste das, als sie 2006 unterschrieb.

Die Abteilung Rechtsextremismus, die sie nun übernimmt, befand sich lange etwas im Abseits. 2011, als die Mordserie des rechtsextremen NSU aufflog, hatte man sie bereits mit der Abteilung Linksextremismus zusammengelegt. Neun Jahre später, steht nicht nur der Rechtsterrorismus im Fokus der Bundesregierung. Noch 2020 wird auch mit einer heiklen Entscheidung des Verfassungsschutzes zur AfD gerechnet. Soll neben dem "Flügel" auch die Gesamtpartei als womöglich rechtsextremistisch beobachtet werden? Die Entscheidung könnte für Felor Badenberg zur ersten Bewährungsprobe im neuen Amt werden.

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SZ vom 15.06.2020/jord
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