Verfassungsrecht:Notstand ohne Not

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Der Kongress in Washington könnte die Notstandserklärung des Präsidenten niederstimmen, und die Demokraten werden wohl dagegen auch vor Gericht ziehen. Donald Trump wäre trotzdem schwer zu stoppen.

Von Thorsten Denkler und Reymer Klüver

Präsident Donald Trump hat den "nationalen Notstand" an der US-Grenze zu Mexiko ausgerufen. Er beruft sich auf Gefahren für die "nationale Sicherheit" und eine "humanitäre Krise". Die Erklärung wirft einige juristische und verfassungsrechtliche Fragen auf.

Darf ein US-Präsident im Alleingang den "nationalen Notstand" erklären?

Die Verfassung gibt ihm nicht explizit das Recht dazu, doch haben es Präsidenten trotzdem wiederholt in Anspruch genommen. Am berühmtesten ist wohl, dass Franklin D. Roosevelt 1933 sämtliche Banken in den USA per Notverordnung für vier Tage geschlossen hatte, um einen Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern. Die rechtliche Grundannahme ist, dass ein US-Präsident qua Amtes wie kein anderer beurteilen kann, was das Richtige für das Land ist. Seit 1976 gibt es aber ein Nationales Notstandsgesetz, das diese Machtfülle ein wenig begrenzt. Der Präsident muss seither einen Grund nennen für den Notstand, zum Beispiel eine Bedrohung der nationalen Sicherheit.

Was ist ein "nationaler Notstand"?

Auch dafür gibt es keine genauen gesetzlichen Definitionen. Ein Berufungsgericht urteilte ebenfalls 1976 eher vage, dass es Umstände seien, die "jenseits des Alltäglichen" lägen. Da die Zahl der illegalen Immigranten seit Jahren abnimmt, dürfte es mehr als zweifelhaft sein, ob solche außergewöhnlichen Umstände an der Grenze tatsächlich vorliegen. Das dürfte indes am Ende gar nicht einmal die entscheidende Rolle spielen.

Gibt es in den USA gegenwärtig überhaupt einen "nationalen Notstand"?

Juristisch gesehen durchaus. Es sind nicht weniger als 31 Notstandserklärungen in Kraft. Allerdings betreffen sie fast alle Sanktionen, die US-Präsidenten gegen andere Staaten verhängt haben. Die älteste gültige Erklärung stammt von Jimmy Carter, mit der er 1979 iranisches Vermögen in den USA eingefroren hatte.

Kann der Kongress Trumps Notstandserklärung aufheben?

Theoretisch ja. Beide Kammern des Parlaments könnten in einer gemeinsamen Resolution den Notstand wieder aufheben. Im Repräsentantenhaus wäre das wohl kein Problem, weil die Demokraten über eine satte Mehrheit verfügen. Im Senat sind sie zwar in der Minderheit, doch könnten sich sogar genug Republikaner finden, die Trumps Vorgehen missbilligen. Dann aber wird es schwierig: Der Präsident kann sein Veto einlegen. Der Kongress müsste ihn mit Zweidrittelmehrheit überstimmen - die dürfte eher nicht zustande kommen. Praktisch also ist der Präsident politisch nicht zu stoppen.

Könnten die Demokraten den Präsidenten rechtlich stoppen?

Tatsächlich hätten sie da diverse Möglichkeiten. Wie nach dem Einreiseverbot für Muslime zu Anfang von Trumps Amtszeit werden sie versuchen, die Notstandsverordnung per einstweiliger Verfügung zu stoppen. Damit dürften sie anfangs durchaus Erfolg haben. Über kurz oder lang aber wird die Sache vor dem Obersten Gerichtshof landen - in dem durch die Nachbesetzungen unter Trump die Konservativen in der Mehrheit sind. Allerdings kommt es darauf an, worauf sich die Klagen kaprizieren. Geht es vorrangig darum, dass an der Grenze in Wirklichkeit gar keine Krise herrscht, die eine Notstandserklärung rechtfertigt, dürfte die Sache nach Einschätzung vieler Verfassungsrechtler für die Demokraten böse enden. Denn schon die Klagen gegen Trumps Einreiseverbot schmetterte der Supreme Court mit der Begründung ab, dass die Verfassung dem Präsidenten das Recht gebe zu bestimmen, wen er ins Land lassen wolle und wen nicht. Entsprechend bliebe es dem Präsidenten vorbehalten festzustellen, ob Notstand herrscht oder nicht. Mehr Erfolg könnte ein anderer Weg haben: Wenn Trump mithilfe der Notstandserklärung tatsächlich Milliarden für die Grenzsicherung lockermachen will, dann könnten die Demokraten auf ihr Haushaltsrecht pochen. Das weist die Verfassung eindeutig dem Repräsentantenhaus zu. Und in dem bestimmen gerade die Demokraten. Deren Rechte hebelt Trump mit dem Notstand aus.

© SZ vom 16.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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