Verfassungsgericht zu Online-Durchsuchungen:Karlsruhe führt "Computer-Grundrecht" ein

Das Verfassungsgericht hat ein neues "Computer-Grundrecht" eingeführt und sehr hohe Hürden für Online-Durchsuchungen aufgestellt. Innenminister Schäuble will dem BKA Online-Durchschungen erlauben.

Das Bundesverfassungsgericht lässt das Ausspähen von Computern zum Schutz vor gravierenden Gefahren grundsätzlich zu. "Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme ist nicht schrankenlos", sagte Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier bei der Urteilsbegründung am Mittwoch in Karlsruhe.

Die sogenannte Online-Durchsuchung sei daher bei einer konkreten Bedrohung für Menschenleben oder den Bestand des Staates zulässig. Voraussetzung sei allerdings, dass ein Richter die Maßnahme anordne und intime Daten geschützt blieben oder bei der Auswertung sofort gelöscht würden. (Az.: 1 BvR 370/07 und 1 BvR 595/07)

Im konkreten Fall erklärten die Richter ein Landesgesetz für nichtig, das dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz das Ausspähen von Computern erlaubte. Das Gesetz genüge den strengen Anforderungen zum Schutz der Grundrechte der Betroffenen nicht, entschieden die Richter in dem 106 Seiten starken Urteil.

In ihrem 106 Seiten starken Urteil erließen die Richter Leitlinien für den Umgang mit der Online-Durchsuchung. So könne das Instrument zu präventiven Zwecken und zur Strafverfolgung eingesetzt werden, sagte Papier. Es müsse sich jedoch um eine existenzielle Bedrohung handeln, die auch weiter in der Zukunft liegen könne. Zum Schutz weniger wichtiger Rechtsgüter müsse der Staat sich mit anderen Ermittlungsmethoden behelfen.

Ein Gesetz zur Online-Durchsuchung müsse außerdem sicherstellen, dass der unantastbare Kernbereich privater Lebensgestaltung geschont werde, sagte Papier. Die Ermittler müssten daher alle technischen Sicherungen nutzen, um diese Daten auszusparen. Da sich dies beim Ausspähen eines Computers aber praktisch nicht vermeiden lasse, müssten unerlaubt erfasste privaten Dateien sofort gelöscht werden.

Das Karlsruher Urteil macht auch den Weg frei für Online-Durchsuchungen durch das Bundeskriminalamt (BKA). Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble erklärte in einer ersten Stellungnahme, an seinen Plänen zum heimlichen Ausspähen von Computern festzuhalten.

Schäuble erlaubt BKA Online-Durchsuchungen

Das Gericht habe die grundsätzliche verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Online-Durchsuchung als Ermittlungsmaßnahme anerkannt, erklärte der CDU-Politiker. Die Entscheidungsgründe des Karlsruher Senats würden nun sorgfältig analysiert und bei der geplanten Novelle des Bundeskriminalamtsgesetzes berücksichtigt.

Schäuble betonte, dass die Online-Durchsuchung nur in wenigen, aber sehr gewichtigen Fällen zum Einsatz kommen solle. Die in Deutschland vereitelten Anschläge belegten die anhaltend hohe Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus. "Um die Bürger wirksam schützen zu können, müssen die Sicherheitsbehörden mit der technischen Entwicklung der Täter - Einsatz modernisierter IT-Technologie, professionell verschlüsselte Kommunikation - Schritt halten. Dazu sind sie auf die Maßnahme der Online-Durchsuchung angewiesen", erklärte Schäuble.

Die SPD hatte das neue BKA-Gesetz bisher mit Verweis auf die unklare Rechtslage blockiert. Die Sozialdemokraten stellten allerdings ihre Zustimmung in Aussicht, sobald es Leitlinien des Bundesverfassungsgerichts zu dem Thema gebe.

Die Karlsruher Richter gaben mit ihrem Urteil dem früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), zwei weiteren Anwälten, einer Journalistin und einem Mitglied der Linken recht, die gegen das Landesgesetz geklagt hatten. Nach der jetzt gekippten Regelung durfte der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen auf Festplatten gespeicherte Daten ausspionieren.

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