Verfahren gegen Christian Wulff:Punkt, aus, jetzt reicht's

Wulff-Prozess;

Richter Frank Rosenow wollte den Prozess offenbar deutlich schneller zu Ende bringen.

(Foto: dpa)

Richter Frank Rosenow möchte den Prozess gegen Christian Wulff ganz schnell beenden. Das merkt man ihm in jeder Geste an. Doch nun bäumt sich die Staatsanwaltschaft noch einmal auf - und Richter Rosenow muss das zähneknirschend über sich ergehen lassen.

Von Annette Ramelsberger, Hannover

Der Richter hätte die Sache gerne schnell vom Tisch. So schnell, dass man es in jedem Satz, in jeder Geste spürt. Als der Staatsanwalt im Prozess gegen Christian Wulff nach Wochen des Schweigens zum ersten Mal zu einem Vortrag ansetzt, da unterbricht ihn Richter Frank Rosenow sofort. Er solle jetzt kein Plädoyer halten, rügt er ihn - ausgerechnet den Mann, der bisher kaum ein Wort gesagt hat.

"Ungewöhnlich" sei es, tadelt Rosenow, dass der Staatsanwalt seinem Antrag ein paar grundsätzliche Sätze vorausschicken wolle. "Ungewöhnlich ist es aber auch, wenn ein Angeklagter hier ein langes Opening-Statement halten kann", wehrt sich der Staatsanwalt. Der Angeklagte Wulff, ehemaliger Ministerpräsident von Niedersachsen und Bundespräsident a. D., hatte am ersten Tag ein Eingangsstatement gehalten. Es dauerte fast eine Stunde und glich einer Regierungserklärung. Damals hatte Richter Rosenow nichts einzuwenden.

Es ist überdeutlich, wohin das Gericht in diesem Prozess tendiert. Die Richter haben keine Lust mehr auf dieses Verfahren, das sie selbst zugelassen haben. Und sie wollen nun zum Ende kommen.

Doch an diesem Tag werden sie gestoppt - von jenem sonst so schweigsamen Herrn, Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer. Der legt dem Richter einen Antrag auf den Tisch, den der nicht ablehnen kann - nicht, wenn er sein Urteil revisionssicher machen will. Es ist der Antrag, einen alten Vertrauten Wulffs zu hören: Olaf Glaeseker, den langjährigen Sprecher Wulffs, der nah dran war am Gespann Wulff/Groenewold. Der Richter wird ihn nun laden, fast zähneknirschend, hat man den Eindruck.

"Allenfalls ganz indirekte Vorteile"

Für das Gericht scheint der Fall schon abgeschlossen zu sein. Fast genüsslich führt der Richter die Ermittler des Landeskriminalamts vor. "Sie gehören doch zu einer Spezialabteilung zur Korruptionsbekämpfung", sagt Rosenow zu einem Zeugen. "Wie wird denn in der Regel eine Unrechtsvereinbarung geschlossen?" Eine solche Vereinbarung sollen Wulff und der Filmproduzent David Groenewold geschlossen haben. Sie sah nach Ansicht der Anklage vor, dass Groenewold Wulff aufs Oktoberfest einlädt und dieser dafür einen Bittbrief an Siemens schreibt, damit der Konzern einen Film über den Siemens-Mitarbeiter John Rabe unterstützt, der im Zweiten Weltkrieg Tausende Chinesen gerettet hatte. Also, wie schließt man so eine Unrechtsvereinbarung? "Eine Unrechtsvereinbarung wird in der Regel unter vier Augen und ohne Notizen geschlossen", sagt der Beamte. Der Richter antwortet: "Hier aber wurde das in einem Geschäftsbrief niedergelegt." Er seufzt.

Der Richter sieht "allenfalls ganz indirekte Vorteile" für Groenewold, wenn Siemens den Film unterstützt hätte. Er fragt auch, warum die Ermittler dem Oktoberfestbesuch nachgingen, aber nicht anderen Essen Wulffs mit Wirtschaftsleuten. Die Antwort: Weil der Oktoberfestbesuch in zeitlicher Nähe zum Bittbrief stand.

Aber zwischen Oktoberfest und Bittbrief lag auch noch eine Reise Wulffs nach China, die hatten die Ermittler offenbar nicht im Blick. "Kennen Sie den Bericht des deutschen Botschafters in Peking über den Besuch?", fragt Wulffs Verteidiger den Zeugen. "Ist das in Ihre Ermittlungen eingeflossen?" - "Nein, das war mir nicht bekannt", sagt der Polizist.

Der Richter atmet tief durch und sagt: "Da kann man nicht mehr zu sagen."

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