Verena Becker, die RAF und der Buback-Mord:In Stammheim wird Rechtsgeschichte geschrieben

Lesezeit: 4 min

In einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung äußerte dann Michael Buback, der Sohn des Ermordeten, am 1.Mai 2007 die Vermutung, eine Frau sei an der Ausführung der Tat beteiligt gewesen - die Vermutungen gingen stets in Richtung Verena Becker. Die Bundesanwaltschaft begann im April 2008, neu gegen sie zu ermitteln. Sie fand DNS-Spuren Beckers an Bekennerschreiben zum Mord an Buback, sie durchsuchte Beckers Wohnung und erwirkte sodann gegen sie einen Haftbefehl wegen Mordes.

Der Bundesgerichtshof hob die Untersuchungshaft wieder auf, weil er den Tatbeitrag, der Becker vorgeworfen wurde, nur als Beihilfe wertete. Gleichwohl klagte die Bundesanwaltschaft Verena Becker im April 2010 wegen Mittäterschaft an der Ermordung an. Sie sei zwar an der Tatausführung nicht unmittelbar beteiligt gewesen, habe aber die konkreten Tatplanungen bejaht. Darüber wird nun vor Gericht verhandelt.

Philipp Heinisch, RAF-Verteidiger von 1977/78, hat sich die Qualen von damals von der Seele gezeichnet. Es gab unendliche, scharfe und schärftste Auseinandersetzungen - zwischen Verteidigern und Anklägern, zwischen Verteidigern und Gericht.

Der Staat und seine Organe fühlten sich im Ausnahmezustand; und so wurden die Stammheimer Prozesse auch geführt: als Notwehraktionen des Staats gegen die RAF, am Rande der Prozessordnung oder jenseits davon. Heinisch konnte nicht verhindern, dass seinem Mandanten, der bei der Verhaftung einen Kopfschuss erlitten hatte, volle Verhandlungsfähigkeit attestiert wurde. Die Strafverteidiger selbst galten ja den Anklägern als verdächtig, als "RAF-Anwälte" eben - und so wurden sie auch behandelt. Am liebsten hätte man sie verhaftet. Das Prozessklima war katastrophal. Es war kein Klima der Aufklärung. Das ist heute anders. Die große Konfrontation ist vorbei, die RAF ist Geschichte. Über die Taten von damals kann also anders verhandelt werden als damals. Vielleicht ist das eine Chance des neuen Prozesses gegen Verena Becker. Vielleicht kann er der Wahrheitsfindung dienen. So oder so: Der Prozess wird Rechtsgeschichte schreiben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema