Wäre es nach Richter Manfred Götzl gegangen, hätten die Verfahrensbeteiligten im NSU-Prozess schon vor genau einer Woche die letzten Beweisanträge gestellt. Diese Frist hatte der Vorsitzende Richter des 6. Strafsenats am Oberlandesgericht München sieben Tage zuvor verkündet. Götzls Drängen sorgte vor allem unter den Verteidigern für Empörung - und für Ablehnungsanträge, in denen nicht nur die Hauptangeklagte Beate Zschäpe über ihre Anwälte ihr Misstrauen gegen den Richter ausdrückte.
Götzls Beschleunigungsbegehr hat das Gegenteil bewirkt: Der Fortgang des NSU-Prozesses verzögert sich. An diesem Dienstag hat das Gericht mitgeteilt, dass der eigentlich für Donnerstag geplante Verhandlungstag ausfällt. Der NSU-Prozess soll nun erst am nächsten Dienstag fortgesetzt werden. Schon zuvor hatte das Gericht fünf Verhandlungstage gestrichen.
Der Grund für die weitere Verzögerung sind zwei neue Anträge, in denen Zschäpe ihre Besorgnis über die Befangenheit von Richter Götzl und dem Beisitzenden Richter Peter Lang ausdrückt. Am Nachmittag wurde zudem bekannt, dass sich der Mitangeklagte Ralf Wohlleben beiden Ablehnungsanträgen von Zschäpe angeschlossen hat. Und noch ein weiterer Ablehnungsantrag von Zschäpe gegen Götzl ist offen. Ein früherer Befangenheitsantrag von Wohlleben gegen alle Mitglieder des Senats wurde inzwischen hingegen abgelehnt.
Rechter Terror:Wohlleben wirft Richter im NSU-Prozess "Überrumpelungstaktik" vor
Die Anwälte des Angeklagten sagen, die Frist für letzte Beweisanträge sei "eklatant zu kurz". Auch Zschäpes Pflichtverteidiger Heer kündigt einen Befangenheitsantrag an.
Aus Zschäpes Sicht ist Richter Lang befangen, weil er es war, der die Verfügung geschrieben hat, mit der Götzl die knappe Frist für letzte Beweisanträge gesetzt hat. In einer schriftlichen Stellungnahme schreibt Lang nach SZ-Informationen allerdings nur von einem Entwurf, in dem das tatsächliche Fristende zudem noch nicht genannt gewesen sei.
Heikel wird der Vorgang dadurch, dass Lang einer der drei Richter war, der über Zschäpes Ablehnungsantrag gegen Götzl wegen ebendieser Verfügung entscheiden sollte. Zschäpes Verteidiger, Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm, bezweifeln, dass Lang als Verfasser der Verfügung in der Lage wäre, völlig unbefangen über die Rechtsmäßigkeit der Fristsetzung zu entscheiden. So geht es aus dem Befangenheitsantrag hervor, der dieser Zeitung vorliegt. Zschäpe sieht es offenbar genauso. Sie ließ Heer, Stahl und Sturm zusätzlich noch einen zweiten Ablehnungsantrag gegen Götzl stellen.
Zschäpes Verteidiger und auch die von Ralf Wohlleben halten Götzls Frist von lediglich einer Woche für vollkommen unverhältnismäßig angesichts einer bald vier Jahre dauernden Hauptverhandlung. Sich innerhalb von sieben Tagen - quasi von jetzt auf gleich - letzte Verteidigungsoffensiven zu überlegen, eventuell Zeugen zu benennen und alles in Beweisanträgen schriftlich zu formulieren, werten sie als unangemessene Gängelung.
Götzl will neue Frist setzen
Die Frist ist mittlerweile ohnehin überholt. Götzl hat bereits angekündigt, eine neue Frist zu setzen. Ein konkretes Datum gibt es noch nicht.
Beate Zschäpe muss sich seit Mai 2013 unter anderem wegen des Vorwurfs der Mittäterschaft an zehn vorwiegend rassistisch motivierten Morden, zwei Sprengstoffanschlägen und 15 Raubüberfällen vor Gericht verantworten. Ihr wird zudem die Gründung und Mitgliedschaft in der rechtsterroristischen Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) vorgeworfen.
Ralf Wohlleben ist wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen angeklagt. Er soll dabei geholfen haben, den NSU-Terroristen die Mordwaffe zu besorgen. Mit Wohlleben und Zschäpe sind drei weitere Männer als mutmaßliche NSU-Unterstützer angeklagt.