122 Nationen haben am Freitag bei den Vereinten Nationen in New York ein Verbot von Atomwaffen beschlossen. Die Vorsitzende der entsprechenden Konferenz, Costa Ricas UN-Botschafterin Elayne Whyte Gómez, hatte bereits vor Abschluss der Gespräche von einem "historischen Moment" gesprochen. "Die Welt hat 70 Jahre auf diese rechtliche Norm gewartet", sagte sie in Anspielung auf den Einsatz der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki 1945. Initiatoren der Verhandlungen waren Österreich, Irland, Südafrika, Nigeria, Brasilien und Mexiko. Die Atommächte hatten die Gespräche boykottiert.
Der Vertrag verbietet das "Entwickeln, Testen, Produzieren, Herstellen, anderweitige Beschaffen, Besitzen oder Anhäufen" von Nuklearwaffen. Schon das Androhen eines Einsatzes wird darin unter Strafe gestellt. Das Ziel ist eindeutig, wie Artikel 4 des Vertrages hervorhebt: Die Unterstützer-Staaten wollen "die totale Beseitigung nuklearer Waffen". Bei der UN-Vollversammlung im September soll der Vertrag allen Mitgliedstaaten zur Unterschrift vorgelegt werden, falls ihn dann innerhalb von drei Monaten 50 Länder unterschreiben, tritt das Regelwerk in Kraft. Aktivisten reagierten am Freitag euphorisch: Der Vertrag schließe "eine völkerrechtliche Lücke, die nach der Ächtung von Chemie- und Biowaffen offen blieb. Nun wird die letzte und zerstörerischste Massenvernichtungswaffe geächtet", sagte Sascha Hach von der Internationalen Kampagne für ein Atomwaffenverbot (Ican) der SZ.
Trotz des ambitionierten Ziels wird das Regelwerk nicht über Nacht eine atomwaffenfreie Welt schaffen. Zwar haben sich seit Jahren etwa zwei Drittel der 193 UN-Mitgliedsstaaten an der Initiative beteiligt und im März die finalen Verhandlungen aufgenommen. Allerdings verweigerte sich eine zentrale Staatengruppe den Treffen völlig: Weder die neun Atomwaffenstaaten - zusätzlich zu den fünf UN-Vetomächten sind dies Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel - noch nahezu alle Nato-Mitglieder nahmen an den Gesprächen teil. Nikki Haley, US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, hatte vor den Treffen in New York zwar betont, sie wünsche sich nichts sehnlicher "für meine Familie als eine Welt ohne Nuklearwaffen". Aber die Staatengemeinschaft müsse "realistisch" bleiben: Die Zeit dafür sei noch nicht reif.
Atomwaffen gelten wieder als ein zentrales Mittel der Abschreckung
Auch Deutschland blieb den Sitzungen fern. Die Bundesregierung verweist zwar regelmäßig auf ihr Ziel der nuklearen Abrüstung, begründete den Boykott aber damit, dass es sich bei den Gesprächen um einen "gesinnungsethischen" Ansatz handle, der für das Bestreben, eine Welt ohne Atomwaffen zu erreichen, kontraproduktiv sei. Berlin und auch andere sogenannte nukleare Teilhabestaaten, also Länder, die zwar selbst keine Atomwaffen besitzen, aber durch Bündnisse dem Schutz anderer Atommächte unterstehen, bevorzugen den Atomwaffen-Sperrvertrag (NPT) als Instrument, mit dessen Hilfe die Verbreitung von Nuklearwaffen gestoppt und die Abrüstung vorangebracht werden soll.
Der Atomwaffen-Sperrvertrag hat festgelegt, dass über die fünf UN-Vetomächte hinaus kein weiteres Land, das den NPT ratifiziert hat, Nuklearwaffen erlangen soll. Die Atommächte sollen im Gegenzug an ernsthaften Schritten arbeiten, ihre Arsenale zu reduzieren. Kritiker bemängeln, dass der Sperrvertrag Staaten aber nicht habe daran hindern können, ihre nuklearen Ambitionen zu verfolgen. Die zunehmende Polarisierung zwischen den USA und der Nato auf der einen sowie Russland auf der anderen Seite haben Abrüstungsbemühungen zudem in den vergangenen Jahren ausgebremst: Atomwaffen gelten in der internationalen Politik wieder als ein zentrales Mittel der Abschreckung.
Auch die wachsende Bedrohung, die von Nordkoreas Atomwaffenprogramm ausgeht, lassen eine baldige Umsetzung des in New York ausgehandelten Vertrags zunächst als unrealistisch erscheinen. Aber der Besitz von Atomwaffen sei als Folges des Vertrags "künftig mit einem beträchtlichen diplomatischen Reputationsschaden verbunden", sagte Abrüstungs-Aktivist Sascha Hach. Zudem verweisen Befürworter der New Yorker Initiative auf das Verbot von Streumunition, das Staaten, die weiter auf diese Waffe setzen, international an den Pranger stelle und so eine abschreckende Wirkung entfaltet habe. Ein ähnliches Signal erhoffen sich Unterstützer nun vom Atomwaffen-Verbotsvertrag.