Süddeutsche Zeitung

Vereinigte Arabische Emirate:Zeichen der Toleranz

Vor wenigen Tagen wurde in Abu Dhabi das "Abrahamic Family House" eröffnet, in dem Christen, Muslime und Juden beten können. Der Staatenbund gibt sich offen, doch Beobachter bleiben kritisch.

Von Sina-Maria Schweikle, München

Treffen sich ein Rabbi, ein Priester und ein Imam in Abu Dhabi und gründen ein interreligiöses Zentrum auf der Arabischen Halbinsel. Was sich anhört wie der Beginn eines Witzes, ist seit wenigen Tagen Realität. Mitte Februar eröffnete in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) das sogenannte Abrahamic Family House. Ein interreligiöses Zentrum, in dem sich Juden, Christen und Muslime begegnen und ihre Religion frei ausüben können. Der Staatenbund auf der Arabischen Halbinsel gibt sich tolerant - doch noch nicht in allen Bereichen ist dieser positive Trend erkennbar.

Der Grundstein für das abrahamitische Familienzentrum wurde bereits 2019, ein Jahr vor der historischen Unterzeichnung des Abraham-Abkommens zwischen Israel und den VAE, gelegt. Vor vier Jahren besuchte Papst Franziskus als erstes katholisches Kirchenoberhaupt die Arabische Halbinsel und unterschrieb gemeinsam mit dem Großimam der Kairoer Al-Azhar-Universität das "Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen". Inspiriert durch das Treffen der beiden religiösen Führer nahm die Idee des Zentrums kurze Zeit später Gestalt an, als Mohamed bin Zayed al-Nahyan, damaliger Kronprinz von Abu Dhabi und heutiger Präsident der VAE, ein Grundstück auf der Kultur- und Urlaubsinsel Saadiyat für den Bau zur Verfügung stellte. Neben den Hotels an den Sandstränden stehen dort auch noch das Louvre Abu Dhabi und das noch im Bau befindliche Guggenheim-Museum.

Die drei Gotteshäuser sind von gleicher Statur, Größe und Beschaffenheit, um jegliches Gefühl von Hierarchie zu vermeiden

Und weil Religion eben auch zur Kultur gehört, finden sich auf der Insel nun drei gleich große und gleichförmige Gotteshäuser, die aus demselben Material geschaffen wurden, "um jegliches Gefühl von Hierarchie zu vermeiden", heißt es auf der Internetseite. Dabei wurde auch auf die richtige Ausrichtung geachtet: So zeigt die Moschee nach Mekka, die Synagoge nach Jerusalem und die Kirche nach Osten, in die Richtung der aufgehenden Sonne. In der Mitte ein Garten, in dem sich die Menschen begegnen und miteinander reden sollen. Präsident Zayed al-Nahyan sagte, Respekt, Verständnis und Diversität seien Triebfedern für den gemeinsamen Fortschritt - im September 2020 hatten die Vereinigten Arabischen Emirate mit Israel einen Friedensvertrag, das sogenannte Abraham-Abkommen, geschlossen.

Für Besucher öffnet das "Abrahamic Family House" am 1. März. Von diesem Zeitpunkt an soll es eine Vielzahl von Aktivitäten und Veranstaltungen geben - "von täglichen Gottesdiensten bis hin zu internationalen Tagungen", heißt es. Entworfen wurden die Sakralbauten von dem britischen Architekten David Adjaye. Es ist der erste Bau dieser Art in der arabischen Welt.

Vertreter der katholischen Kirche sehen das Projekt Medienberichten zufolge als beispielhaft für die Rückkehr zur Besinnung auf das Wesentliche, die Nächstenliebe, wohingegen westliche Beobachter teilweise kritisch auf die Vereinigten Arabischen Emirate blicken. Der Staatenbund dulde weder Demokratiebewegungen noch freie Meinungsäußerung, geht aus einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Humans Rights Watch hervor. Eine Beobachtung, die auch Guido Steinberg macht. Trotzdem müsse man die Toleranzstrategie der VAE als ernst gemeinten Versuch ansehen, sagt der Islamwissenschaftler am Deutschen Institut für internationale Politik und Sicherheit. Immerhin hat das vielfältige Land, dessen Bevölkerung zu mehr als 80 Prozent aus Migranten aus aller Welt besteht, sogar eigens ein Ministerium für Toleranz und Koexistenz.

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