Vereinigte Arabische Emirate:Big Brother in der Wüste

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Die Polizei der Arabischen Emirate erwägt, Gen-Profile sämtlicher Einwohner zu erstellen. Noch gibt es dafür keine Rechtsgrundlage - und keine Idee, wie die Daten vor Missbrauch geschützt werden können.

Susanne Klaiber

Für Strafverfolgung wäre es wohl eine bequeme Lösung: Sie sammeln an einem Tatort Genproben ein und gleichen sie mit Profilen ab, die in einer DNA-Datenbank gespeichert sind. Der Computer spuckt dann den Namen des Verdächtigen aus. So eine Tätersuche per Knopfdruck könnte für die Polizisten der Vereinigten Arabischen Emirate wahr werden. Denn die Polizeibehörden planen, in den Emiraten als erstem Land weltweit eine Datenbank aufzubauen, in der die DNA-Profile aller Einwohner unbefristet gespeichert sind.

Frauen in Dubai beim Shoppen. Bis in zehn Jahren soll die DNA aller Bewohner erfasst werden. (Foto: Foto: AFP)

"Erfasst werden sollen alle Einheimischen sowie Ausländer mit Aufenthaltsgenehmigung, aber keine Touristen", sagt Ahmed al-Marzouqi, Chef der von Innenminister Sheikh Saif bin Zayed Al Nahyan eingerichteten DNA-Arbeitsgruppe. Das Projekt würde nicht nur helfen, Straftäter zu identifizieren, sondern auch Opfer von Katastrophen, sagt al-Marzouqi.

Erst Polizisten, dann Jugendliche

Die ersten Labors sollen Ende 2010 in Betrieb gehen. Bis dahin muss al-Marzouqi noch das Personal dafür auftreiben. "Ich denke, es werden Einheimische sein und Experten, vorwiegend aus den USA und Großbritannien, die sie ausbilden", sagt er.

In der Pilotphase werde man zunächst die DNA-Proben der Polizisten nehmen, "damit man am Tatort feststellen kann, ob die Spuren zu Polizisten oder zu Verdächtigen gehören". Wen die Behörden danach registrieren, steht noch nicht fest. Eine mögliche Gruppe wären zum Beispiel Jugendliche. "Normalerweise fangen kriminelle Karrieren mit kleinen Delikten an", sagt al-Marzouqi. Mit Hilfe der Datenbank könne man die Übeltäter finden und ihnen zeigen, dass das nicht der rechte Weg sei.

Bis in zehn Jahren sollten dann alle Personen registriert sein. Das Bevölkerungswachstum eingerechnet wären das rund zehn Millionen Menschen - davon etwa 80 Prozent Ausländer, die überwiegend aus Asien kommen und als billige Arbeitskräfte den Bauboom am Golf erst möglich gemacht haben.

"Kriminelle fängt man mit guter Strafverfolgung"

Ob die Datenbank, die etwa eine Milliarde Euro kosten soll, wie geplant eingeführt wird, ist aber noch nicht sicher. Es fehlt die rechtliche Basis. Al-Marzouqi geht davon aus, dass das Innenministerium ein Gesetz auf den Weg bringt, das der Nationalrat bestätigen muss.

Von größerem Widerstand gegen das aus Datenschutzgründen brisante Projekt ist nichts bekannt. Kritik von Privatleuten gibt es aber, zum Beispiel von Anwalt Sayed Abu Zahraa, der in der lokalen Zeitung The National sagte: "Kriminelle fängt man mit guter Strafverfolgung, nicht mit DNA-Abgleichen". In der Online-Ausgabe der Zeitung kommentierte ein Nutzer aus Abu Dhabi: "Lasst uns darauf warten, dass sie uns Transmitter im Kopf installieren, um zu übertragen, was wir denken und sehen." Wie er die Datenbank vor Missbrauch schützen will, kann al-Marzouqi derzeit nicht sagen. Auf keinen Fall aber werde man Profile weitergeben.

In Staaten, die die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet haben, ist eine Datenbank, wie sie am Golf geplant wird, rechtswidrig. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verstößt die unbegrenzte Speicherung der Daten nicht verurteilter Personen gegen Artikel 8 der Konvention, der die Privatsphäre schützt. Das Gericht gab damit Ende 2008 zwei Briten recht. Sie hatten gefordert, ihre DNA-Profile aus der nationalen Datenbank zu löschen, nachdem sie des versuchten Raubes bezichtigt, dann aber freigesprochen worden waren.

© SZ vom 10.11.2009/ehr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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