Verdächtigungen gegen Romney:Freunde beim Wahlcomputer-Hersteller

Hat da jemand "Wahlbetrug" gesagt? Verschwörungstheoretiker sind elektrisiert, weil Unterstützer Mitt Romneys beim Hersteller von Wahlcomputern im Vorstand sitzen. Die Geräte gelten als anfällig für Manipulationen und kommen in Bundesstaaten wie Ohio zum Einsatz, die der Republikaner unbedingt gewinnen muss.

Jonas Schaible

Mitt Romney

Romney muss in Ohio gewinnen. Im Netz wird spekuliert, er versuche das mit unlauteren Mitteln.

(Foto: AP)

Präsidentschaftswahlkämpfe in den USA sind immer schmutzig. Nun aber sieht sich der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney mit einer Anschuldigung besonders anrüchigen Inhalts konfrontiert, die seit einigen Tagen vor allem in Blogs kursiert und mittlerweile auch Deutschland erreicht hat.

Es ist selten mehr als eine geraunte Andeutung, die in Überschriften wie "Gehört der Romney-Familie jetzt deine Stimme?" mitschwingt. Sie bewegt vor allem Verschwörungstheoretiker. Romney und seine Familie hätten enge Kontakte zu einer Firma, die unter anderem den so wichtigen und hart umkämpften Wechselwählerstaat Ohio mit Wahlcomputern beliefert, berichtete die Website The Free Press erstmals Ende September.

Wahlcomputer, die von Freunden eines Präsidentschaftskandidaten stammen? Was ist dran am vermeintlichen Skandal? Die Fakten lassen zunächst durchaus aufhorchen.

Ohio - allein dieses Wort macht viele hellhörig: Kein Republikaner, der Ohio verloren hat, wurde je Präsident. Und sind nicht Wahlcomputer in den USA sowieso chronisch fehlerhaft? Kontrolliert Romney demnach die Auszählung im entscheidenden Staat und ist Wahlbetrug damit programmiert?

In der Tat gibt es Verbindungen von Romney zu einer Firma namens Hart Intercivic, die sowohl Wahlcomputer herstellt, mit deren Hilfe man seine Stimme komplett digital abgibt, als auch Scanner, die einen papiernen Wahlzettel auslesen, während man ihn in die Urne wirft. Wie mehr als ein Dutzend andere Unternehmen hat Hart Intercivic Aufträge für die anstehenden Wahlen bekommen.

In 14 Bundesstaaten wird am 6. November Technik von Hart Intercivic eingesetzt werden, auch in den Swing States Colorado, Virginia und eben Ohio - dort allerdings keineswegs im ganzen Staat, sondern lediglich in zwei von 88 Bezirken.

Nicht einmal Romneys Ex-Firma hat so viel Geld gespendet

Stutzig macht einige Beobachter nun, dass die Investmentfirma H.I.G. Capital im Juli 2011 größere Anteile von Hart Intercivic kaufte. Wie viele es genau waren, blieb geheim. Es ist deshalb von außen nicht ersichtlich, wie viel Kontrolle H.I.G. wirklich über das Tagesgeschäft von Hart Intercivic hat. Fest steht nur, dass Mitarbeiter von H.I.G. drei der fünf Posten im Verwaltungsrat des Wahlcomputer-Herstellers besetzen.

Das ist deshalb interessant, weil bei H.I.G. zahlreiche bekennende Romney-Unterstützer und Vertraute des Kandidaten in der Chefetage sitzen.

Zwei der drei Hart-Intercivic-Verwaltungsräte aus den Reihen von H.I.G., Neil Tuch und Jeff Bohl, haben Geld für Romneys Kampagne gespendet; und auch H.I.G. selbst steht auf der Liste der Geldgeber weit oben. Nach aktuellem Stand haben Mitarbeiter des Unternehmens, ihre Familien sowie dem Unternehmen nahe stehenden Lobbygruppen zusammen 362.500 Dollar für die Kampagne des Republikaners aufgebracht. Das reicht für Platz 13 unter den großzügigsten Gebern, noch vor Romneys früherer Firma Bain Capital.

Das Geld kommt indes nicht nur von einer Handvoll Unterstützern: Von den 22 Männern aus der US-Führungsriege von H.I.G. haben 21 Männer Romneys Wahlkampf mit Geld unterstützt. Sieben von ihnen waren früher bei Bain & Co angestellt - ebenso wie Romney, bevor dieser ausstieg und zusammen mit zwei Partnern von Bain & Co die assoziierte Investmentfirma Bain Capital gründete, mit der er später Multimillionär wurde.

Auch Frau und Sohn haben Geld investiert

Die Verbindung von Romney zu H.I.G. ist aber sogar noch ein wenig enger: Eine andere Investmentfirma namens Solamere Capital, die Tagg Romney, der Sohn des Präsidentschaftskandidaten, mit gegründet hat, und zu deren Startkapital von 234 Millionen Dollar Mitt Romneys Ehefrau Ann seinerzeit 10 Millionen beigesteuert hat, hat ihrerseits Geld in H.I.G. investiert.

Das alles ist bemerkenswert, es ist nur eines nicht: ein Beweis dafür, dass Romney oder seine Unterstützer wirklich mit gezinkten Karten spielen. Oder dass die Wahlcomputer manipuliert sind.

Zumal es niemanden überraschen dürfte, dass Romney in einer, wie der Blog the daily dolt spöttisch bemerkt, nur von weißen Männern geleiteten Investmentfirma wie H.I.G. viele Unterstützer hat. Dass diese Männer auch große Mengen Geld für den Wahlkampf bereitstellen, obwohl ihr Unternehmen relevante Anteile an einem Hersteller von Wahlcomputern hält, ist für Forbes trotzdem ein Zeichen fehlenden politischen Instinkts.

Und die Angelegenheit könnte für Romney noch unangenehme Folgen haben: Sollte es in einem der Bezirke, in denen die in Wahlmaschinen von Hart Intercivic stehen, zu Unregelmäßigkeiten kommen (und das ist bei Wahlcomputern nie auszuschließen), oder sollten solche Bezirke in Ohio oder Colorado am Ende den Unterschied zugunsten Romneys ausmachen, müsste er sich noch lange des Verdachts des Wahlbetrugs erwehren.

Einen kleinen Vorgeschmack, was ihm dann dräute, gibt die Überschrift eines Videos, das immerhin schon 135.000 Mal angesehen wurde, und dessen Macher sich bereits jetzt weit aus der Deckung wagen: "KORRUPTION: Von Bain kontrollierte Firma besitzt die Wahlmaschinen für 2012", heißt es da wenig faktenreich.

Wesentlich zurückhaltender zeigen sich die großen amerikanischen Medien, die das Thema bislang eher ignorieren. Erst allmählich steigen etwa die Washington Post oder die Huffington Post darauf ein. Der bekannte Politikjournalist Chuck Todd, der für den liberalen Nachrichtensender MSNBC arbeitet, ließ auf Twitter wissen, wie er die Gerüchte einschätzt: Müll seien sie, genauso großer Müll wie die Theorien, denen zufolge Barack Obama gar kein echter Amerikaner ist.

Das scheinen viele Amerikaner genauso zu sehen. Eine Petition, die die Regierung ersucht, den Vorwürfen nachzugehen, hat zur Stunde gerade einmal 365 Unterschriften beisammen.

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