Süddeutsche Zeitung

Verbrechen:Kat her!

Immer öfter stehlen Diebe Katalysatoren aus geparkten Autos.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Als die Polizisten gegen ein Uhr nachts am Tatort beim Berliner Grunewald eintrafen, konnten sie die potenziellen Diebe nur noch flüchten sehen. Eine Anwohnerin hatte zuvor Bohrgeräusche an einem vor der Tür geparkten Toyota gehört und die Beamten alarmiert. Erstaunt spürten sie unter dem Auto schließlich noch einen 25-jährigen Mann auf. Der lag dort nicht etwa, um sich zu verstecken, sondern offenbar, um zu arbeiten. Mit Spezialwerkzeugen hatte er sich am Katalysator zu schaffen gemacht.

Bis vor Kurzem noch eher ein Kuriosum, beschäftigt der Diebstahl von Abgasreinigern inzwischen die Polizeien in der ganzen Republik. "Flex raus, Kat weg" überschrieb der ADAC seine Halbjahresbilanz, die an diesem Freitag erschien. Demnach stieg die Zahl der Fälle von 420 im vergangenen Jahr auf 448 allein in den ersten sechs Monaten 2021. Und das sind nur die Diebstähle, bei denen die Pannenhelfer des Automobilclubs gerufen wurden. Die Magdeburger Polizei zählte bislang 50 Fälle in diesem Jahr, in Berlin hat die Behörde den Katalysatordiebstahl nun sogar amtlich besiegelt: Seit ein paar Tagen wird das Delikt als eigene Rubrik im polizeilichen Informationssystem Poliks geführt.

Der Grund für das gesteigerte Interesse an den Blechtöpfen sind die darin verbauten Edelmetalle wie Platin, aber vor allem Palladium und Rhodium. Die Preise für diese Stoffe sind in den vergangenen Jahren explodiert, das Gramm Platin kostet derzeit 31 Euro, Palladium 75 und Rhodium 540 Euro. Gold dagegen ist für knapp 50 Euro das Gramm zu haben. Den enormen Preisanstieg hat die Automobilindustrie teils selbst zu verantworten: Durch die Manipulationen an den Dieselfahrzeugen wurden in den vergangenen Jahren zunehmend Autos mit Benzinmotoren gekauft; die dort installierten Katalysatoren benötigen mehr Edelmetalle als die Filter für Dieselabgase.

Bis zu sechs Gramm der teuren Stoffe stecken in einem Katalysator, beim Recyclingunternehmen bekommen die Täter für ihre Kontrabande zwischen 100 und 600 Euro. Die Diebe schätzen besonders ältere Benzin-PKW und Hybridwagen, da hier mehr Edelmetalle verarbeitet sind. Zudem machen Modelle aus der Frühzeit der Abgasreinigung den Diebstahl äußerst leicht, da der Katalysator im Auspuffsystem und nicht am Motor installiert ist.

In einem Handyvideo, aufgenommen von einem Bewohner im Berliner Bezirk Marzahn, genügten drei Männern wenige Minuten, um den Katalysator zu demontieren. Profis brauchten dafür nicht einmal 90 Sekunden, heißt es bei der Polizei. Das Auto wird dafür mit einem Wagenheber seitlich aufgebockt, dann der Abgasreiniger mit einem Rohrschneider rausgeschnitten - fertig. Besonders dreist gingen die Täter in der Nähe von Dessau, Sachsen-Anhalt, vor. Bei einer Kfz-Werkstatt und einem Gebrauchtwagenhändler wurden über Nacht insgesamt 51 Katalysatoren geklaut.

Eine Handhabe gibt es für Autobesitzer kaum, selbst herkömmliche Alarmanlagen reagieren nicht. In Großbritannien hat sich ein japanischer Autobauer dem kriminellen Trend bereits angepasst. Besitzer dieser Automarke können ihren Katalysator nun kostenlos kennzeichnen lassen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5357704
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.