Süddeutsche Zeitung

Verbotene Kurden-Partei PKK:Rebellen vor der Haustür

Lesezeit: 2 Min.

Obwohl die kurdische Arbeiterpartei PKK verboten ist, kann sie hierzulande auf 13.000 Anhänger bauen. Der Konflikt im Osten der Türkei radikalisiert junge Kurden auch in der Bundesrepublik. Für die Regierung ist der Umgang mit ihnen eine Gratwanderung.

Frederik Obermaier

Viele Kurden in Deutschland kennen sie, manche fürchten sie, und sie kommen immer wieder: die Spendeneintreiber der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Seit den Achtzigerjahren kämpft die Gruppe gegen den türkischen Staat und für mehr Selbstbestimmung. Es ist ein Kampf, der viel Geld kostet. Wenn in den kurdischen Bergen der Winter hereinbricht, ziehen PKK-Anhänger in Deutschland wieder von Haus zu Haus. Bei Kurden und Kurdischstämmigen bitten sie um eine Spende, in einigen Fällen bleibt es nicht bei einer Bitte. Betroffene sprechen von Zwang. Mehrere Millionen Euro werden jährlich einkassiert, glaubt der Verfassungsschutz.

Deutschland ist für die PKK ideales Rückzugs- und Rekrutierungsgebiet, denn hier lebt Europas größte kurdische Exilgemeinde, sie umfasst etwa 800.000 Menschen. Verschlimmert sich der Konflikt zwischen der PKK und der Türkei weiter, hätte das auch für die Bundesrepublik Folgen.

Ein kleiner Vorgeschmack waren im September die Ausschreitungen am Rande eines kurdischen Kulturfestes in Mannheim. Nachdem Ordner einem Jugendlichen eine verbotene Fahne abnehmen wollten, eskalierte die Lage. Stundenlang lieferten sich vermummte Kurden eine Straßenschlacht mit der Polizei. Seither registrieren die Behörden verstärkte Aktivitäten unter den Kurden im Land. Pressemitteilungen werden verschickt, Demonstrationen geplant und alte Kontakte wiederbelebt. Dutzende Aktivisten touren seit Wochen mit einem Bus durch Deutschland, ihr Motto: "Freedom for Abdullah Öcalan", Freiheit für den PKK-Führer also.

Auf Bustour durch Deutschland

Der 63-Jährige sitzt seit 1999 auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali in Haft. Mit einem Hungerstreik versuchten zuletzt Hunderte inhaftierte Kurden in der Türkei seine Freilassung zu erzwingen. Erst auf Öcalans Befehl beendeten sie vergangene Woche ihr Fasten. Die Bustour in Deutschland geht indes weiter, am Freitag soll sie in Bonn Halt machen. Dort wird sich das gleiche Bild bieten wie im Oktober in München: Hunderte Kurden, die singen, tanzen und Flaggen in den kurdischen Farben rot, gelb, grün schwenken - und dazwischen: Männer und Frauen in olivgrünen Jacken und Pluderhosen, jener Uniform also, die auch PKK-Kämpfer tragen.

Seit 1993 ist die kurdische Arbeiterpartei in Deutschland verboten, die EU und die USA werten sie als Terrororganisation. Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass die PKK in der Bundesrepublik etwa 13.000 Anhänger hat. Jedes Jahr brechen einige von ihnen in die kurdischen Berge auf - sie wollen für die Rebellen von Öcalan kämpfen. Junge Kurden, die bereits in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland leben, kennen ihn zwar meist nur aus Erzählungen, dennoch ist er ihr Held.

"Er verkörpert den Drang des kurdischen Volkes nach Freiheit", erzählte etwa der 22-jährige Azad Bingöl vor einigen Tagen in München. Mit Freunden hatte er in der Innenstadt ein Zelt aufgebaut, zwei Tage lang fasteten sie öffentlich - aus Solidarität mit den Hungerstreikenden in der Türkei. Von Apo, wie viele Kurden den PKK-Führer nennen, schwärmte Bingöl: "Ohne Öcalan wird es keine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts in der Türkei geben."

Forderung nach Annerkennung

Von der Bundesregierung fordern die Kurden, als eigenständige Migrantengruppe anerkannt zu werden, und nicht länger als Türken, Iraker oder Syrer gewertet zu werden. Darum haben sie vor Kurzem eine Bundestags-Petition eingereicht. Zudem wollen sie ein Ende des PKK-Verbots. "Wir werden dadurch kriminalisiert", klagt Yüksel Koc, der Vorsitzende der Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland, einer als PKK-nah geltenden Organisation.

Für die Bundesregierung ist der Umgang mit den Kurden eine Gratwanderung. Einerseits will man die Türkei nicht vergraulen, andererseits die Kurden im Land nicht unnötig provozieren. Nur allzu gut haben die Verantwortlichen die Bilder aus den neunziger Jahren vor Augen, als wütende Kurden ganze Autobahnen blockierten.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2012
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