Süddeutsche Zeitung

Verbot in Cannes:Ein Burkini ist keine Burka

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Bürgermeister in Frankreich lassen Frauen nicht mehr im Ganzkörperbadeanzug schwimmen - und wollen damit die öffentliche Ordnung wahren. Das Verbot zeugt aber nur von einem: Islamophobie.

Kommentar von Leila Al-Serori

Zwei Bürgermeister an der französischen Riviera haben dieser Tage einen klaren Gegner: zu viel Stoff. Den haben sie vom Strand verbannt - schließlich würden am Mittelmeer andere Werte gelten. Cannes und die Nachbargemeinde Villeneuve-Loubet haben verfügt, dass Frauen keine Burkinis mehr tragen dürfen. David Lisnard, der Bürgermeister von Cannes, erklärte in einem Interview mit Nice-Matin den Burkini zur "Uniform des extremistischen Islamismus ".

Der Burkini wird verboten, um Menschen auszusperren

Ein Burkini ist keine Burka. Diese extremste Form der Verschleierung ist in Frankreich schon seit fünf Jahren verboten. Aus Sicherheitsgründen darf sich im öffentlichen Raum niemand komplett verhüllen. Das Burkini-Verbot lässt sich damit nicht erklären - der Ganzkörperbadeanzug spart das Gesicht aus. Er entspricht eher der Badevariante eines Hidschab, also der meistgetragenen muslimischen Kopfbedeckung.

Das Verbot fußt zudem nicht auf einem gesellschaftlichen Konsens, der durch Diskussionen erreicht wurde und hinreichend begründet ist. Es ist Produkt einer durch Terroranschläge aufgekochten Islamophobie - und der kurzfristigen Profilierung zweier Bürgermeister. Das Dekret zielt nicht darauf ab, die Frau zu befreien oder den Laizismus zu verteidigen. Es zielt auch nicht darauf ab, wie es in der Verordnung heißt, "die guten Sitten und die Hygieneregeln" einzuhalten oder vor Terrorismus zu schützen. Vielmehr sagt es eines: "Wir wollen euch hier nicht."

Islamistische Terroranschläge wie der im naheliegenden Nizza mit 85 Toten haben Ängste geschürt. Der Burkini, von Muslimas weltweit getragen ( sogar auf olympischem Sand), wird nun benutzt, um Menschen und eine Religion auszusperren, die man nicht haben will. Um sie zumindest an manchen Orten unsichtbar zu machen. Das treibt einen Keil in die französische Bevölkerung, wo geschätzt acht Prozent Muslime sind - dem Sicherheitsbedürfnis hilft es nicht.

Hinter der Burka steckt ein Denken, das nicht zu unseren Werten passt

Ein Burkini ist keine Burka. Das muss nochmals wiederholt werden, denn ein Burkaverbot ist zwar verwandt, aber doch eine andere Kategorie. Solch ein Verbot - wie es auch wieder in Deutschland diskutiert wird - kann Ausdruck einer Gesellschaft sein. Einer Gesellschaft, die es ablehnt, eine Frau von oben bis unten zu verhüllen, um sie aus der Öffentlichkeit zu sperren. Hinter der Burka steckt ein Denken, das nicht zu unseren Vorstellungen von Menschenrechten passt.

Beim Burkini sieht es anders aus. Ein Burkini verdeckt nicht das Gesicht einer Frau, er steht nicht für Unterdrückung. 2007 kam der Ganzkörperanzug aus Elastan, der auch Hände und Füße freilässt, unter diesem Namen auf den Markt. Seither boomt das Geschäft: Immer mehr Frauen gehen damit schwimmen.

Was als schleichende Islamisierung interpretiert wird, könnte auch als Indiz für eine stärkere Teilnahme strenggläubiger Frauen am öffentlichen Leben gewertet werden. Wer an den Strand geht, zeigt schließlich, dass er sich der hiesigen Gesellschaft zugehörig fühlt. Der spezielle Badeanzug ist für viele Muslimas oft der einzige Weg, sich dabei wohlzufühlen. Auch wenn wir uns nicht vorstellen können, diesen Anzug freiwillig zu tragen: Man muss ihn nicht gut finden, aber akzeptieren.

Wieviel Haut man zeigen möchte, ist eine persönliche Entscheidung. Jede Frau sollte sich an den Strand legen dürfen wie sie will: im Bikini, Stringtanga - oder eben im Burkini.

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