Verbindungen nach Moskau:Lohn der Lüge

Lesezeit: 4 min

Donald Trumps Eskapaden stören seine Anhänger kaum noch. Doch die FBI-Ermittlungen hängen nun wie eine dunkle Wolke über dem Weißen Haus - und können dem Präsidenten gefährlich werden.

Von Hubert Wetzel

Es kommt nicht oft vor, dass der amtierende FBI-Chef den amtierenden US-Präsidenten öffentlich bezichtigt, die Unwahrheit zu sagen; und dann noch erklärt, er lasse ermitteln, ob Mitarbeiter eben jenes Präsidenten während des Wahlkampfs illegale Absprachen mit der Regierung eines gegnerischen Landes getroffen haben. Genau genommen ist so etwas in der amerikanischen Geschichte noch nie vorgekommen. Jedenfalls nicht bis Montag, als James Brien Comey, Direktor des Federal Bureau of Investigation, vor dem Geheimdienstausschuss des Abgeordnetenhauses ausgesagt hat.

Seitdem wissen Amerika und der Rest der Welt zwei Dinge. Erstens: Trump lügt, wenn er behauptet, der frühere Präsident Barack Obama habe ihn abhören lassen. Zweitens: Das FBI hat ehemalige Mitarbeiter und Vertraute von Trump im Verdacht, mit der russischen Regierung gekungelt zu haben, um die Präsidentschaftswahl zugunsten Trumps zu beeinflussen. Das Erste ist peinlich für Trump und untergräbt seine Glaubwürdigkeit. Das Zweite hingegen grenzt an Landesverrat.

Für Trump sind die FBI-Ermittlungen politisch vermutlich schädlicher als die Zurechtweisung wegen seiner falschen Abhörvorwürfe. Die Amerikaner sind inzwischen daran gewöhnt, dass ihr Präsident unwahre Dinge behauptet. Viele Trump-Gegner sind empört darüber, aber viele Trump-Anhänger nehmen das, was ihr Präsident schreibt, nicht so wörtlich oder glauben es einfach. Die Tatsache, dass Trump lügt, ist nicht mehr ausschlaggebend dafür, wie die Leute ihn bewerten. Schließlich hat Trump die Wahl im November gewonnen, obwohl bereits damals hinreichend dokumentiert war, wie lax er mit der Wahrheit umgeht.

Die Ermittlungen der Bundespolizei hingegen werden, das räumen auch Verbündete Trumps ein, in den kommenden Monaten wie eine dunkle Wolke über dem Weißen Haus hängen. Die von Trump oft verspottete Hillary Clinton hat leidvolle Erfahrungen damit gemacht, wie es ist, monatelang das FBI im Nacken zu haben. Die Ermittlungen wegen ihres privaten E-Mail-Servers belasteten die demokratische Präsidentschaftskandidatin enorm, vielleicht kosteten sie diese sogar den Wahlsieg.

Trump wird sich nun auf absehbare Zeit mit dem Thema Russland herumschlagen müssen. Das FBI untersucht, ob Leute aus seinem Umfeld davon wussten (oder gar dabei geholfen haben), dass der russische Geheimdienst Clintons Kandidatur voriges Jahr durch Hackerangriffe auf die Demokraten und die Veröffentlichung peinlicher E-Mails sabotiert hat. Die US-Geheimdienste sind davon überzeugt, dass der russische Präsident Wladimir Putin auf diese Weise Clinton schaden und Trump zur Präsidentschaft verhelfen wollte.

Das Weiße Haus muss jeden Tag damit rechnen, dass der Name von Verdächtigen bekannt wird

Tatsächlich gibt es etliche Personen aus dem Umkreis Trumps, die im vergangenen Jahr fragwürdige Kontakte mit Russen hatten. Trumps erster Sicherheitsberater Michael Flynn musste wegen verheimlichter Telefonate mit dem russischen Botschafter in Washington zurücktreten. Trump-Berater wie Paul Manafort, Roger Stone oder Carter Page hatten ebenfalls dubiose Beziehungen zu Moskau. Das mögen völlig legale geschäftliche Verbindungen gewesen sein - aber der Verdacht, dass bei ihren Treffen mit Russen auch illegale politische Absprachen gemacht wurden, ist beim FBI offenbar so groß, dass die Behörde Ermittlungen aufgenommen hat.

Gegen wen genau ermittelt wird, hat Comey nicht gesagt. Aber das unterstreicht nur, welch großes Risiko die Untersuchungen für Trump bergen. Das Weiße Haus muss jeden Tag damit rechnen, dass einer der Namen durchgestochen wird; was wiederum garantieren würde, dass Journalisten tagelang das Leben dieser Person und seine Beziehung zu Trump ausleuchten. Es dürfte daher kein Zufall gewesen sein, dass Trumps Sprecher Sean Spicer gleich am Montag begann, Distanz zwischen dem Präsidenten und möglichen Verdächtigen zu bringen. So behauptete Spicer, der frühere prorussische Lobbyist Paul Manafort habe nur "eine begrenzte Rolle für eine begrenzte Zeit" in Trumps Wahlkampfteam gespielt. Angesichts der Tatsache, dass Manafort im Frühjahr und Sommer 2016 der führende Wahlkampfmanager von Trump gewesen ist, war das, als behaupte man, bei der Jungfernfahrt der Titanic habe ein Eisberg eine "begrenzte Rolle" gespielt.

Für die Republikaner wird es immer schwieriger, ihren Präsidenten zu verteidigen

Trump hat seine Position beim Thema Russland zudem selbst geschwächt. Zum einen hat er den russischen Staatschef Putin als starken Anführer und künftigen Partner gelobt - eine Geste der Ehrerbietung, die viele Republikaner sehr verärgert hat. Zum anderen hat sich Trump in eine Ecke manövriert: Weil der Präsident alle Hinweise auf die russische Einmischung bei der Wahl als Attacke auf seinen Sieg sieht und persönlich nimmt, zwingt er sich selbst dazu, gegen alle zu wettern, die ihm diese Hinweise vorlegen. Deswegen giftet er so gegen die eigenen Geheimdienste und jene Leute dort, die Informationen über die Beziehungen von Trump-Vertrauten zu Russland an die Medien durchstechen. Es gibt einflussreiche Leute im Weißen Haus, die überzeugt davon sind, dass es in den USA einen "tiefen Staat" gibt, eine Art Kamarilla in den Geheimdiensten und im FBI, die Trump stürzen will.

Trumps republikanische Parteifreunde im Kongress versuchten am Montag, die Anhörung auf dieses Thema zu lenken. Immer wieder fragten sie Comey, ob das eigentliche Verbrechen nicht darin bestehe, dass aus dem Justizapparat so viele geheime Details über Trumps Mitarbeiter heraussickerten. Aber das war eher ein Ablenkungsmanöver. Auch die Republikaner wissen, dass es zuweilen zwar Machtkämpfe zwischen den Geheimdiensten und dem Weißen Haus gibt, aber keinen "tiefen Staat", der den Präsidenten verrät.

Und spätestens an diesem Punkt hat Trumps notorisches Lügen dann doch politische Konsequenzen. Je öfter er frei erfundene Unwahrheiten twittert, desto schwieriger ist es für Parteifreunde, ihn zu verteidigen. Trumps Abhörvorwürfe gegen Obama sind dafür das beste Beispiel. Es gibt keinen einzigen nennenswerten republikanischen Politiker, der bereit gewesen wäre, Trumps Behauptung zu wiederholen. Außer Trump will sich niemand beim Lügen erwischen lassen.

© SZ vom 22.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: