Süddeutsche Zeitung

Verantwortung für Gräueltaten:Mladic schiebt Schuld auf Milosevic

Ratko Mladic werden schwerste Verbrechen während des Bosnienkrieges zur Last gelegt. Doch der der serbische Ex-General bestreitet die Vorwürfe. Sein Verteidiger will gegen eine Auslieferung an das UN-Tribunal in Den Haag Berufung einlegen - Mladic sei für einen Prozess zu krank.

Nach seinem Sohn hat auch der mutmaßliche Kriegsverbrecher Ratko Mladic selbst bestritten, für die ihm vorgeworfenen Gräueltaten verantwortlich zu sein. Der mutmaßliche serbische Kriegsverbrecher machte für die ihm vorgeworfenen Verbrechen den früheren Präsidenten Slobodan Milosevic und die serbische Bevölkerung verantwortlich.

"Ich habe Slobodan Milosevic nicht gewählt, ihr schon", sagte Mladic nach Angaben von Staatsanwalt Bruno Vekaric. Der frühere General habe erklärt, "die Schuld liegt bei Milosevic" und allen Serben, die den damaligen Präsidenten unterstützt hätten, sagte Vekaric der Nachrichtenagentur AP.

Mladics Sohn hatte am Sonntag erklärt, sein Vater habe nichts mit dem Massaker von Srebrenica im Jahr 1995 zu tun gehabt. Was auch immer getan wurde, sei hinter seinem Rücken geschehen. Das ehemalige serbische Staatsoberhaupt Milosevic starb 2006 während seines Prozesses vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.

Mladic, dem früheren militärischen Führer der bosnischen Serben im Bürgerkrieg von 1992 bis 1995, werden Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Er soll unter anderem das Massaker von Srebrenica befohlen haben. Außerdem soll er maßgeblich für die vierjährige Belagerung von Sarajevo verantwortlich gewesen sein. Für seine Taten soll er sich nun vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal verantworten.

Nach Angaben seines Anwalts würde Mladic eine Überstellung UN-Tribunal in Den Haag nicht überleben. Der Verteidiger Milos Saljic erklärte am Montag, Mladic sei schwer krank und werde einen Prozessbeginn nicht mehr erleben. Er bat um mehrere Ärzte, die seinen 69 Jahre alten Mandanten untersuchen sollen.

Der 69-jährige Mladic war in der vergangenen Woche nach fast 16 Jahren auf der Flucht festgenommen worden. Er soll in dieser Zeit zwei Schlaganfälle erlitten haben. Die serbische Staatsanwaltschaft wirft ihm eine Verzögerungstaktik vor und hat erklärt, Mladic werde auf jeden Fall nach Den Haag ausliefert. Die Einspruchsfrist gegen diesen Beschluss läuft an diesem Montagabend ab.

Die Verteidigung hatte bereits angekündigt, ihren Einspruch dagegen am Montagabend auf den Postweg bringen zu wollen. Die Richter müssen dann binnen drei Tagen entscheiden.

Proteste für "serbischen Helden"

Nach den gewaltsamen Protesten am Sonntag gegen die Festnahme Mladics sind offiziellen Angaben zufolge 180 Anhänger des Ex-Generals festgenommen worden. Während der massiven Ausschreitungen am Sonntagabend seien 32 Polizisten und elf Demonstranten verletzt worden, teilte die Polizei mit. Zudem seien Autos und Geschäfte beschädigt worden.

Die Serbische Radikale Partei hatte am Wochenende aus allen Landesteilen Nationalisten in Bussen in die Hauptstadt Belgrad gebracht. Dort protestierten sie gegen die Festnahme Mladics. Viele der Demonstranten waren noch jung, einige von ihnen waren zu Zeiten des Bosnien-Krieges von 1992 bis 1995 noch nicht geboren. "Wir sind hier, um diesen Verrätern zu zeigen, wie echte Serben einen serbischen Helden verteidigen", sagte ein Teilnehmer. Auf Plakaten war zu lesen: "Heuchler und Verräter haben unseren Helden festgenommen."

Unter den Demonstranten war auch der Sohn des Angeklagten. "Ratko Mladic ist kein Krimineller, er hat die Morde nicht angeordnet. Er verteidigte sein Volk in einer ehrenhaften, gerechten und professionellen Weise", rief Darko Mladic den Unterstützern zu.

Auch in Mladics Geburtsstadt Kalinovik in Bosnien-Herzegowina versammelten sich am Sonntag etwa 3000 Sympathisanten, um gegen die Festnahme des Ex-Generals zu protestieren. Viele der Demonstranten waren ehemalige Soldaten der bosnisch-serbischen Armee, deren Kommandeur Mladic während des Bosnien-Krieges war.

Nach Berichten der kroatischen Zeitung Jutarnji list hat der frühere serbische Regierungschef Vojislav Kostunica jahrelang die Ergreifung Mladics verhindert. Seit 2006 habe die Regierung genau gewusst, wo sich Mladic versteckt hielt, berichtete die Zeitung am Samstag unter Berufung auf Depeschen der US-Botschaft in Belgrad, die von der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht wurden. Erst nach dem Ende der Kostunica-Regierung habe die neue Regierung unter Führung der DS-Partei des noch amtierenden Präsidenten Boris Tadic seit 2009 ernsthaft mit der Suche nach Mladic begonnen.

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