Venezuelas Wahlsieger Maduro:Magischer Sozialismus

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Chávez-Protegé Nicolás Maduro gewinnt die Wahl. Doch an seiner Aufgabe wird er nicht nur Freude haben. Die Inflation ist nicht zu bremsen, die Gewalt im Land immens. Die Wahl zeigt: Venezuela ist jetzt gespaltener denn je - in zwei nun praktisch gleich große Teile.

Von Sebastian Schoepp

Die erste Wahl nach Hugo Chávez' Tod hat Hugo Chávez knapp für sich entschieden. Unter pausenloser Berufung auf den verstorbenen Vorgänger hat Venezuelas Interimspräsident Nicolás Maduro Wahlkampf betrieben - und die Abstimmung nach offiziellen Ergebnissen mit einem hauchdünnen Vorsprung gewonnen.

Das Resultat könnte dafür sorgen, dass dem Land unruhige Zeiten bevorstehen. Oppositionskandidat Henrique Capriles Radonski will das Ergebnis nicht anerkennen und lässt durchblicken, dass er sich um den Sieg betrogen fühlt. Es habe mehr als 3000 "Vorfälle" während der Wahl gegeben, darunter Schießereien und Übergriffe. Wahllokale seien geschlossen und dann plötzlich wiedereröffnet worden. Die als regierungsnah geltende Wahlkommission erklärte den Sieg allerdings für "unumkehrbar.

Obwohl Maduro seinen Anhängern davon abrät, protestierend auf die Straße zu ziehen, gab es schon am Wahlabend erste lautstarke Demonstrationen mit Kochtöpfen - in Lateinamerika inzwischen die typische Ausdrucksform der Mittelschicht.

Venezuela ist mit der Wahl in zwei praktisch gleich große Teile gespalten, die einander unversöhnlich gegenüberstehen. Keine guten Aussichten für ein Land, das wirtschaftlich große Probleme hat. Maduro hat die Wahl mit dem Versprechen gewonnen, in jeder Hinsicht im Sinne von Chávez weiterzumachen - also mit ölfinanzierten Sozialprogrammen, die tatsächlich vielen Menschen eine materielle Perspektive eröffnet haben. Doch schon vor der Wahl stellten Fachleute wie der Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Caracas, Heinrich Sassenfeld, fest, ein Nachfolger werde die "Umverteilung im bisherigen Maße nicht fortsetzen können".

Acting Venezuelan President Maduro gestures to supporters as he leaves after voting for the successor to the late President Chavez, in Caracas

Venezuelas Präsident Maduro: Loyalität als Kernqualifikation.

(Foto: REUTERS)

Bolivar hat fast die Hälfte an Wert eingebüßt

Die Inflation galoppiert, in den vergangenen beiden Monaten hat die venezolanische Währung Bolívar 46 Prozent an Wert verloren. Für dieses Jahr rechnen Fachleute mit einer Kaufkraftminderung von 30 Prozent. Der offizielle Wechselkurs für den Dollar beträgt 6:1, auf dem Schwarzmarkt ist aber das Dreifache zu erzielen. Venezuela muss Lebensmittel importieren, aus Brasilien und auch aus den von Chávez verteufelten USA.

Die Ölproduktion, die 90 Prozent der Regierungseinnahmen deckt und einziger wirtschaftlicher Pfeiler des chavistischen Systems ist, geht zurück. Gleichzeitig explodiert der Verbrauch, was an den subventionierten Preisen liegt. Der Liter Benzin ist in Venezuela für 40 Dollar-Cent zu haben, im Nachbarland Kolumbien kostet er fast das Dreifache.

Chávez' größtes Versäumnis war, dass er keine ernsthaften Anstrengungen unternahm, um von der Abhängigkeit von nur einem Rohstoff wegzukommen, Schwankungen im Ölpreis nach unten haben für Venezuela stets fatale Folgen. Versuche zur Schaffung einer modernen Produktiv- und Bildungsgesellschaft, wie sie die Nachbarländer unternehmen, blieben aus.

Die trotz Umverteilung noch immer existierenden gravierenden Armutsprobleme großer Bevölkerungsteile schlagen sich in eine verheerenden Kriminalitätsstatistik nieder. Das Auswärtige Amt weist auf die hohe Straßenkriminalität in venezolanischen Großstädten, besonders in Caracas, hin. Die Hauptstadt hat mit die höchste Mordrate des Kontinents.

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