Venezuela:Advent im Oktober

Lesezeit: 2 Min.

Diktator Nicolás Maduro zieht per Dekret die Vorweihnachtszeit nach vorne. Eine schöne Bescherung?

Von Christoph Gurk

Bitte nicht erschrecken, aber: Das Ende ist nah. Ein paar Monate noch, dann ist Weihnachten, und kurz danach folgt dann der 31. Dezember. Schon wieder ein Jahr vorbei. Wie schnell die Zeit vergeht! In Deutschland werden manche deswegen schon unruhig, wenn kurz nach den Sommerferien in den Supermärkten die Lebkuchen liegen. In Venezuela ist man da aber noch einen Schritt weiter: Schon am 1. Oktober soll in dem südamerikanischen Land ganz offiziell die Vorweihnachtszeit beginnen, so zumindest hat das Machthaber Nicolás Maduro kürzlich per Dekret bestimmt. Lichterketten werden dann aufgehängt, es gibt besinnliche Konzerte.

Gedacht ist das nach präsidialer Lesart als frohe Gabe fürs Volk: Kaum irgendwo in Südamerika ist man so verrückt nach Weihnachten wie in Venezuela. Heiligabend ist für viele Menschen im Land der absolute Höhepunkt des Jahres. Häuser werden geschmückt und Krippen herausgekramt, man kocht zusammen und hört gaitas navideñas, weihnachtliche Volksmusik.

Die Inflation ist hoch

Zuletzt aber hat das Fest auch einen bitteren Beigeschmack bekommen. Venezuela befindet sich seit Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise. Die Inflation ist eine der höchsten der Welt, und viele Menschen können sich kaum eine Mahlzeit am Tag leisten – von Festtagsmenüs ganz zu schweigen.

Dazu kommt, dass bei den allermeisten Familien an Heiligabend auch dieses Jahr wieder ein paar Stühle freibleiben werden: Mehr als sieben Millionen Venezolaner haben ihre Heimat mittlerweile verlassen, fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Dieser Massenexodus, fürchten Experten, könnte sich sogar noch verschlimmern. Denn im Land hatten viele auf einen Sieg der Opposition bei den Wahlen Ende Juli gehofft. Stattdessen hat sich Machthaber Maduro zum Gewinner erklären lassen, ohne dafür allerdings Beweise zu liefern.

Proteste wurden niedergeknüppelt, es gab Dutzende Tote, Tausende Festnahmen, harsche Kritik aus dem Ausland. Und was macht Machthaber Maduro? Der erklärt im Staatsfernsehen: „Es ist zwar erst September, aber es riecht schon nach Weihnachten!“ Ein Ablenkungsmanöver, keine Frage: Lasst uns froh und munter sein!

Traditionell gibt’s für Bedürftige Essenspakete vom Staat

Das Regime hat diese Taktik schon früher angewandt. 2019 zum Beispiel wurde Caracas mit glitzernden Lichtern geflutet, in anderen Jahren tonnenweise kostenlose Schweinehaxen versprochen. Funktioniert hat das nicht, im Gegenteil: Die bunte Weihnachtsbeleuchtung in der Hauptstadt stand im harschen Kontrast zu den massiven Stromausfällen im Rest des Landes. Und als 2018, inmitten von Hunger und Not, in vielen der Essenspakete, welche die Regierung jeden Monat an Millionen Familien im Land verteilt, der angekündigte Schinken fehlte, brachen sogar Proteste aus.

So gesehen ist die Vorverlegung der Weihnachtszeit vergleichsweise risikofrei: Sie ist vor allem symbolischer Natur, denn Heiligabend wird in Venezuela auch weiterhin am 24. Dezember gefeiert, Präsidialdekret hin oder her. Und kurz nach den Feiertagen kommt dann ohnehin Neujahr. Sollte alles nach Plan verlaufen, wird Nicolás Maduro am 10. Januar 2025 schließlich eine weitere Amtszeit antreten, seine dritte übrigens. Sie dauert dann bis 2031, Ende allerdings offen. In diesem Sinne: schöne Bescherung.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: