Nach der von Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl in Venezuela pochen die Staatschefs der beiden bevölkerungsreichsten Länder des amerikanischen Doppelkontinents auf Transparenz. US-Präsident Joe Biden und das brasilianische Staatsoberhaupt Luiz Inácio Lula da Silva seien sich einig, dass die venezolanische Wahlbehörde die detaillierten Ergebnislisten der einzelnen Wahllokale veröffentlichen müsse, teilte das Weiße Haus nach einem Telefonat der beiden Präsidenten mit. Auch die EU, die Organisation Amerikanischer Staaten und eine Reihe lateinamerikanischer Länder bezweifeln das offizielle Wahlergebnis.
Nach der Präsidentenwahl am Sonntag hatte der Nationale Wahlrat den seit 2013 regierenden autoritären Staatschef Nicolás Maduro offiziell zum Sieger erklärt. Allerdings veröffentlichte das Wahlamt bislang nicht die aufgeschlüsselten Resultate der Stimmbezirke. Die Opposition warf der Regierung Wahlfälschung vor und beharrt darauf, dass ihr Kandidat Edmundo González Urrutia in allen Bundesstaaten die meisten Stimmen bekommen habe.
Die Opposition kämpft weiter um einen Machtwechsel und für einen Rückzug von Machthaber Maduro. Tausende Regierungsgegner gingen in der Hauptstadt Caracas auf die Straße und protestierten gegen das aus ihrer Sicht manipulierte offizielle Wahlergebnis. Sie skandierten „Wir haben keine Angst“ und bejubelten ihren Präsidentschaftskandidaten Edmundo González Urrutia. Das wahre Ergebnis der Wahl sei eindeutig und nicht verhandelbar, rief Oppositionsführerin María Corina Machado ihren Anhängern von einer Tribüne aus zu. „Das Einzige, über das wir zu verhandeln bereit sind, ist eine friedliche Machtübergabe.“ Die Opposition hat nach eigenen Angaben Zugang zu 80 Prozent der detaillierten Wahlergebnisse. Demnach kommt González auf 67 Prozent der Stimmen und Maduro auf 30 Prozent.

Venezuela:Ein Land am Abgrund
Während sich Machthaber Nicolás Maduro als Sieger feiern lässt, brechen im ganzen Land Proteste aus. Demonstranten reißen Statuen des einstigen Volkshelden Chávez nieder. Die Polizei reagiert mit Härte. Es soll Verletzte und zwei Tote geben.
Die Sicherheitskräfte gehen weiter mit großer Härte gegen die Demonstranten vor. Die Menschenrechtsorganisation Foro Penal meldet sechs tote Zivilisten bei den Protesten, Dutzende sind verletzt. Nach offiziellen Angaben sollen 749 Menschen festgenommen worden sein. Ihnen werde Terrorismus, Aufstachelung zum Hass und die Blockade öffentlicher Straßen vorgeworfen, teilte der Generalstaatsanwalt mit.
Angesichts der angespannten Lage bot die Regierung von Costa Rica sowohl Machado als auch González und weiteren in Venezuela politisch Verfolgten Asyl an. Die Oppositionsführerin bedankte sich, will nach eigenen Worten vorerst allerdings in ihrer Heimat bleiben. „Es liegt in meiner Verantwortung, den Kampf an der Seite der Menschen fortzusetzen“, schrieb sie auf X.