ParlamentswahlVenezuela im Griff des ewigen Maduro

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Umringt von Mitstreitern und Anhängern, feiert Nicolás Maduro (Mitte) auf der Plaza Bolivar in Caracas seinen Sieg.
Umringt von Mitstreitern und Anhängern, feiert Nicolás Maduro (Mitte) auf der Plaza Bolivar in Caracas seinen Sieg. (Foto: FEDERICO PARRA/AFP)

Trotz verheerender Zustände im Land siegt das Lager des despotisch regierenden Staatschefs haushoch bei der Parlamentswahl. Die Opposition ist im Exil, im Untergrund oder streitet untereinander.

Von Benedikt Peters

Nicolás Maduro war am späten Sonntagabend augenscheinlich bester Laune: Breit lächelnd schritt er durch die Menge auf der Plaza Bolivar in Caracas, er winkte, drückte Hände, umarmte Unterstützer; die Bilder davon verbreitete umgehend das Staatsfernsehen. Danach sagte der venezolanische Staatschef seine üblichen Sätze, denen zufolge seine Bewegung so stark wie nie sei und dem Land eine glorreiche Zukunft bevorstehe. Maduro hat mit solchen Auftritten eine gewisse Routine: Die von ihm angeführten Chavisten hatten am Sonntag ihre 32. Wahl gewonnen, sie regieren in Venezuela seit mehr als einem Vierteljahrhundert.

Das wird sich auch künftig nicht ändern; bei der Parlamentswahl stimmten den offiziellen Zahlen zufolge knapp 83 Prozent für Maduros Koalition, außerdem stellen die Chavisten künftig Gouverneure in 22 von 23 Bundesstaaten, also vier mehr als bisher.

Die prominente Oppositionsführerin Machado ruft zum Boykott auf

Das Wort „Wahl“ ist allerdings ein wenig irreführend für das, was am Sonntag in Venezuela stattfand. Nach demokratischen Maßstäben dürfte Maduro längst nicht mehr im Amt sein; bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Juli hielt er sich allein dadurch an der Macht, dass er die Ergebnisse grob fälschen ließ. Die Wahlbehörde CNE, die von den Chavisten kontrolliert wird, rief Maduro damals mit knapp über 50 Prozent zum Sieger aus; eine Überprüfung des Ergebnisses anhand der Stimmprotokolle aus den einzelnen Wahllokalen ergab dann aber, dass sein Herausforderer, der frühere Diplomat Edmundo González, die Wahl deutlich gewonnen hatte.

Die anschließenden Massenproteste ließ Maduro gewaltsam niederschlagen, Amnesty International etwa berichtete von außergerichtlichen Hinrichtungen und politischen Festnahmen. González floh schließlich ins Exil nach Spanien. Die prominente Oppositionsführerin María Corina Machado, die González bei der Präsidentschaftswahl unterstützt hatte, nachdem sie selbst nicht zugelassen worden war, tauchte unterdessen ab und lebt seither in Venezuela im Untergrund.

Von dort aus meldet Machado sich immer wieder zu Wort, meist über soziale Netzwerke wie Instagram, und so tat sie es auch vor der Parlamentswahl vom Wochenende – mit einem Boykottaufruf. „Am 25. Mai findet keine Wahl statt. Das ist eine Farce“, sagte Machado, die Venezolaner sollten am Sonntag zu Hause bleiben. Dass die Oppositionsführerin über beträchtlichen Einfluss verfügt, zeigte sich dann auf den Straßen: Diese waren Berichten zufolge am Sonntag tatsächlich ungewöhnlich leer, und so war es dann auch in den Wahllokalen.

Diesmal blieben auch in der Hauptstadt Caracas die Wahllokale ungewöhnlich leer.
Diesmal blieben auch in der Hauptstadt Caracas die Wahllokale ungewöhnlich leer. (Foto: Gaby Oraa/REUTERS)

Die New York Times berichtet unter Berufung auf örtliche Wahlhelfer, an der Schule Andrés Bello, dem größten Wahllokal in Caracas, seien bis zum Mittag nur knapp 800 von 11 500 registrierten Wählern erschienen; an einer Wahlstation in der Oppositions-Hochburg Las Mercedes seien es sogar nur etwa 100 von 4800 registrierten Wählern gewesen. Die nationale Wahlbehörde verbreitete, die Beteiligung habe bei 42,6 Prozent gelegen, allerdings hat sie, siehe oben, bereits bei vergangenen Wahlen ihren Hang zur Fantasie bewiesen.

Maduro lässt einen Gouverneur wählen für eine Region im Nachbarland Guyana

Örtliche Medien zitierten zahlreiche Venezolaner, die sagten, sie wollten nicht an der Wahl teilnehmen. Manche begründeten dies mit dem Boykottaufruf Machados; andere damit, dass sie längst die Hoffnung aufgegeben hätten, dass sich in Venezuela etwas ändere. Die wirtschaftliche Lage in dem erdölreichen Land ist seit Jahren prekär, die Inflation hoch, nach Schätzungen lebt etwa die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Etwa acht Millionen Menschen haben in den vergangenen Jahren das Land verlassen.

Trotz dieser Zustände versuchte der despotisch regierende Maduro seinen Sieg bei der Parlamentswahl als Legitimationsbeweis zu verkaufen; am Sonntagabend sprach er von einem „Tag der Demokratie“, Parteien aller politischer Strömungen seien angetreten. Dass Maduro zumindest bei einigen Venezolanern mit diesem Argument durchkommen dürfte, hat auch mit der Opposition zu tun.

Diese hat sich nämlich – wieder einmal – vor der Wahl zerstritten: Einige führende Köpfe erklärten, dem Boykottaufruf Machados nicht folgen zu wollen und kandidierten, nachdem die Maduro-Regierung entsprechende Verbote gegen einige Oppositionspolitiker aufgehoben hatte; unter ihnen einflussreiche Figuren wie Juan Requesens und Henrique Capriles. „Ich verstehe nicht, wie wir gegen Maduro gewinnen sollen, wenn wir ruhig zu Hause bleiben“, hatte Capriles vor der Wahl gesagt. Für ihn selbst hat sich das ausgezahlt: Capriles gewann einen Sitz im venezolanischen Parlament. Insgesamt aber erhielten die verbliebenen Oppositionsparteien bei der Wahl gerade einmal 14 Prozent.

Bräuchte es noch einen Beleg für die demokratische Zweifelhaftigkeit dieser Wahl, so ließe sich auch das Beispiel von Essequibo anführen. Das ist eine erdölreiche Region, die zu Venezuelas Nachbarland Guyana gehört; Maduro liebäugelt schon seit einiger Zeit mit einer Annexion. Die Wahl nutzte er, um das zu unterstreichen, er ließ für Essequibo symbolisch Abgeordnete und auch einen Gouverneur wählen. Dieser neue „Gouverneur“ ist, natürlich, ein alter Parteisoldat Maduros.

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