USA und Venezuela:Explosiver Testfall für Trump

  • Immer wieder haben die USA versucht, nicht genehme Regierungen in Lateinamerika aus dem Amt zu hebeln. Meist ohne Erfolg.
  • In Venezuela haben sich die USA bisher wohl auch deshalb auffällig zurückgehalten.
  • Jetzt aber hat Trump Oppositionsführer Guaidó als Interimspräsidenten anerkannt.
  • Die offene Frage lautet: Hat Trump einen Plan?

Von Thorsten Denkler, New York

Die Spende war großzügig: 500 000 Dollar erhielten die Organisatoren der Feierlichkeiten zur Amtseinführung von Präsident Donald Trump. Von Citgo Petroleum, der US-Tochterfirma des staatlichen Ölunternehmens von Venezuela, PdVSA. Staatspräsident Nicolás Maduro hat zwar nicht persönlich seine Unterschrift unter den Scheck gesetzt. Aber es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Summe ohne sein Wissen weitergereicht wurde. Citgo dient ihm als politisches Machtinstrument.

Dass ihm Trump gut zwei Jahre später derart in die Parade fahren würde, hatte Maduro vermutlich nicht erwartet. Am Mittwoch dürfte ihm endgültig klar geworden sein, dass er trotz der 500 000 Dollar keinen Verbündeten im Weißen Haus hat.

Maduro hat das einst reichste Land Südamerikas mit einer populistisch-sozialistischen Agenda innerhalb weniger Jahre in den Abgrund gewirtschaftet. Millionen Menschen haben das Land verlassen. Gewalt ist an der Tagesordnung. Die Inflation steigt und steigt. Ein Kilo Tomaten kostete kurz vor dem Währungsschnitt im August fünf Millionen Bolívar. Danach wurden einfach fünf Nullen gestrichen. Heute gilt der Währungsschnitt als gescheitert. Gut ein Drittel der Einwohner Venezuelas kann sich gerade eine Mahlzeit am Tag leisten.

Seit Tagen erschüttern Proteste das Land. Hunderttausende gehen auf die Straße, um gegen Maduro zu protestieren. Der hatte sich mit einer offenbar manipulierten Wahl eine zweite Amtszeit erschlichen, die vor zwei Wochen begann.

Im von Maduro weitgehend entmachteten Parlament aber dominiert die Opposition. Deren Führer und Parlamentspräsident Juan Guaidó erklärte sich am Mittwoch selbst zum Präsidenten. Trump hat ihn umgehend als solchen anerkannt. Ihm folgten die Lima-Staaten, eine Gruppe von amerikanischen Ländern, die keine Entscheidung der von Maduro 2017 eingesetzten verfassungsgebenden Versammlung akzeptieren wollen, mit Peru und Kanada an der Spitze.

Maduro reagierte, indem er die diplomatischen Beziehungen seines Landes mit den USA abbrach. 72 Stunden hätten die USA Zeit, ihre Diplomaten abzuziehen. Guaidó bat hingegen alle Diplomaten, im Land zu bleiben. US-Außenminister Mike Pompeo gab kurz danach bekannt, dass alle US-Diplomaten in Venezuela bleiben werden, um der Übergangsregierung von Guaidó bestmöglich zu helfen.

Den USA ist Maduros Aufstieg zum Präsidenten schon lange ein Dorn im Auge

Trumps Schritt, Guaidó als legitimen Präsidenten anzuerkennen, ist eher ungewöhnlich. Bisher hat er vor allem rhetorisch gegenüber Maduro aufgerüstet. Jetzt aber kann er es dabei kaum belassen. Sein Ziel ist klar: Maduro muss weg. Nur weiß niemand, wie weit er gehen wird, um das Ziel zu erreichen. Und ob er überhaupt bereit ist, irgendetwas für dieses Ziel zu opfern. Seine Doktrin lautet "America first", Amerika zuerst. Dazu würde eher passen, sich ganz aus Venezuela herauszuhalten. Für Trump und seine Doktrin hat sich Venezuela über Nacht zu einem explosiven Testfall entwickelt.

Den USA ist Maduros Aufstieg zum Präsidenten schon lange ein Dorn im Auge. Außer ein paar mehr oder weniger wirksamen Sanktionen aber, die sowohl die Obama-Administration als auch die Trump-Regierung gegen das Land verhängt haben, ist nicht viel passiert. Nichts jedenfalls, was Maduro an den Rand des Machtverlustes gebracht hätte.

Die Zurückhaltung der USA hat auch mit den Erfahrungen der Vergangenheit zu tun. Immer wieder haben die USA versucht, nicht genehme Regierungen im lateinamerikanischen Raum aus dem Amt zu hebeln. Meist ist es nicht gut ausgegangen. Auf Kuba etwa ist 1961 die von der CIA konzertierte US-Invasion in der Schweinebucht schon im Ansatz gescheitert. Ein von den USA unterstützter Putsch in Chile brachte 1973 eine gnadenlose und langlebige Militärdiktatur unter Augusto Pinochet hervor. Und in den 80er Jahren unterstütze die Reagan-Regierung die rechten Rebellen der Contras in Nicaragua, die gegen die der Sowjetunion nahstehende Regierung der Sandinisten kämpften. In dem Bürgerkrieg starben Zehntausende Menschen. Das Ergebnis: Es regiert heute wie damals - wenn auch mit Unterbrechung - Sandinisten-Chef Daniel Ortega.

Auch in Venezuela hatten die USA Möglichkeiten, aktiv einzugreifen. 2002 hat es etwa einen Putsch gegen Hugo Chávez gegeben, er war kurzeitig nicht an der Macht. Die USA hatten vorab Kontakt zu den Putschisten. Sie lehnten aber jede Unterstützung ab. Und versuchten sogar, die Putschisten von ihrem Vorhaben abzubringen. Vergeblich. Letztlich scheiterte der Putsch. Chávez wurde wieder als Präsident eingesetzt.

Im vergangenen Jahr sollen einige abtrünnige Militärs gegen Maduro Putschvorbereitungen getroffen haben. Nach einem Bericht der New York Times vom vergangenen September standen auch sie mit der US-Regierung in Kontakt. Immerhin hatte Trump im August vergangenen Jahres davon gesprochen, auch eine "militärische Option" gegen Maduro in Betracht zu ziehen. Die Regime-Gegner hatten deshalb wohl gehofft, in Trump einen Verbündeten zu haben, der ihnen Ausrüstung und logistische Hilfe zukommen lässt. Ihre Ansprechpartner auf US-Seite aber waren nur an Informationen über den Stand der Vorbereitungen interessiert. Die Putschisten sind inzwischen aufgeflogen und größtenteils in Haft.

Trotz des wirtschaftlichen Zusammenbruchs ist Venezuela weiter eine - wenn auch immer kleiner werdende - Öl-Macht. Für Trump dürfte das ein besonders wichtiger Faktor sein. Das Land verfügt über die größten Ölreserven der Welt und gehört mit etwas über eine Million Barrel pro Tag zu den größten Ölförderländern. 95 Prozent der Exporte Venezuelas hängen vom Öl-Geschäft ab.

Bevor es zu einem militärischen Eingreifen kommt, würden die USA schärfere Sanktionen einsetzen, etwa einen Importstopp für Öl aus Venezuela. Oder, als Anfang, ein Exportverbot für Produkte, die in der Ölförderung benötigt werden. Die bezieht Venezuela nämlich fast ausschließlich aus den USA.

Trump aber ist interessiert an billigem Öl, um die US-Wirtschaft in Gang zu halten. Und hat wohl auch deshalb zumindest bisher wenig Interesse an einer instabilen Lage in Venezuela gezeigt.

Jetzt ist die Situation allerdings anders. Der Ölpreis ist niedrig. Das Zeitfenster für scharfe Sanktionen wäre da. Wenn Trump ernsthaft die selbsternannte Übergangsregierung von Oppositionsführer Juan Guaidó unterstützen will, könnten Sanktionen ein erster Schritt sein, der das Maduro-Regime hart treffen würde.

Zur SZ-Startseite
Venezuela Maduro

Venezuela
:Maduro, der angezählte Autokrat

Die Opposition will den Präsidenten stürzen, die Chancen dafür sind mit dem von Guaidó angeführten Aufstand gestiegen. Nun gibt es drei Optionen für das Land.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: