Venezuela:Tränengas nach der Wahl

Nachdem der erste Anlauf am Sonntag gescheitert war, schaffte es Juan Guaidó jetzt, die Polizeiblockade um das Parlament zu durchbrechen - und drinnen seinen Amtseid zu leisten.

Von Benedikt Peters

- Es sind schwierige Zeiten für Venezuelas Opposition, aber sie hat dazugelernt. Am Sonntag noch hatte ihr Anführer Juan Guaidó vergeblich versucht, in das Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Caracas zu gelangen. Doch Polizisten hatten sich ihm in den Weg gestellt und so zunächst seine Wiederwahl als Präsident des Abgeordnetenhauses verhindert.

Am Dienstag war Juan Guaidó besser vorbereitet. In den frühen Morgenstunden hatte er Hunderte Mitstreiter um sich versammelt und war mit ihnen zum Parlament gezogen. Dort gelang es ihnen, eine erneut errichtete Polizeiblockade zu durchbrechen. Drinnen schließlich leistete Guaidó im Beisein oppositioneller Abgeordneter den Amtseid als Parlamentspräsident.

Vor dem Gebäude spielten sich unterdessen tumultartige Szenen ab. Schlägertrupps, die Medienberichten zufolge im Auftrag der autokratischen Regierung um Nicolás Maduro gehandelt haben sollen, griffen Demonstranten und Journalisten an. Einige Berichterstatter sollen ausgeraubt worden sein, darunter auch der Korrespondent der spanischen Zeitung El País. Als Guaidó und seine Verbündeten das Parlament wieder verließen, besprühten die Polizisten sie mit Tränengas.

Seit Sonntag ist Venezuela ein Land, in dem es nicht nur zwei Staatspräsidenten gibt, sondern auch zwei Parlamentspräsidenten. Neben Guaidó erhebt auch Luis Parra Anspruch auf das Amt. Dieser hatte sich am Sonntag von einigen wenigen Abgeordneten wählen lassen, die dem despotisch regierenden Staatschef Maduro treu ergeben sind. Die Opposition um Guaidó erkennt die Wahl aber nicht an - schließlich war sie gewaltsam davon abgehalten worden, an der Abstimmung teilzunehmen. Parra hielt am Dienstag im Parlament selbst eine Sitzung im Beisein Maduro-treuer Abgeordneter ab, die Polizei ließ ihn gewähren.

Mit dem Streit um das Amt des Parlamentspräsidenten spitzt sich der Machtkampf in Venezuela nach Monaten des Stillstands wieder zu. Im vergangenen Jahr hatte Juan Guaidó Staatschef Nicolás Maduro herausgefordert. Er warf ihm unter anderem Wahlfälschungen vor und ließ sich selbst zum Präsidenten ausrufen. Zahlreiche westliche Länder, darunter die USA und Deutschland, erkannten Guaidó daraufhin als legitimes Staatsoberhaupt an. In den Monaten danach verlor Guaidós Protestbewegung aber nach und nach an Schwung. Zudem gelang es ihm nie, Armee und Polizei auf seine Seite zu ziehen. Die tatsächliche Macht liegt daher weiterhin bei Maduro. Mehrere Vermittlungsversuche, die unter anderem die Europäische Union und Norwegen unternommen hatten, scheiterten ebenfalls.

Unter dem Stillstand leidet vor allem die venezolanische Bevölkerung. Die seit Jahren schwelende Versorgungskrise hält an, es mangelt an fast allem - Lebensmitteln, Medikamenten und Hygieneartikeln. Zudem fällt immer wieder die Strom- und Wasserversorgung aus. Wegen dieser Zustände sind inzwischen mehr als vier Millionen Menschen aus Venezuela geflohen. Sie suchen Zuflucht in den angrenzenden südamerikanischen Ländern, zum Teil auch in Europa.

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