Venezuela:Ruinator im Siegesrausch

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Die Regierung unter dem unfähigen und brutalen Präsidenten Maduro hat es geschafft, die Erdölmacht Venezuela in ein Armenhaus zu verwandeln. Dennoch kann Maduro auf eine Wiederwahl hoffen. Denn seine Gegner zerlegen sich selbst.

Von Boris Herrmann

Venezuela hat den Weg der Demokratie längst verlassen, und doch tut sich Erstaunliches im Land des Despoten Nicolás Maduro. Bis vor Kurzem hatte er mit allen Mitteln versucht, Wahlen zu verhindern oder auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Neuerdings setzt er eine Wahl nach der nächsten an, erst auf kommunaler, dann auf regionaler Ebene, und nun soll die im Dezember fällige Präsidentschaftswahl auf April vorgezogen werden. Dafür gibt es nur eine Erklärung: Maduro glaubt an seinen Sieg.

Das Land befindet sich in der schwersten Wirtschafts- und Versorgungskrise seiner Geschichte. Die Regierung hat es geschafft, eine Erdölmacht in die Hyperinflation zu stürzen. Der von Hugo Chávez proklamierte Sozialismus des 21. Jahrhunderts endete unter Maduro im Desaster. Wo es noch Lebensmittel und Medikamente gibt, sind sie unbezahlbar. Der Staat ist politisch weitgehend isoliert, ohne die Unterstützung aus Russland und China wäre er pleite. Proteste werden niedergeschlagen, auf den Straßen gilt das Gesetz des Stärkeren. Und in dieser Situation will der Präsident eine Wahl gewinnen? Das klingt bizarr, aber auszuschließen ist es nicht.

Das Jahr 2017 markiert eine Zäsur in Venezuela. Maduro hat seinen Staat in den vergangenen Monaten so umorganisiert, dass er kaum noch verlieren kann. Er hat unter massiven, aber wirkungslosen Protesten der internationalen Gemeinschaft das von der Opposition dominierte Parlament entmachtet und durch eine ihm ergebene Verfassungsversammlung ersetzt. Führende Oppositionelle befinden sich im Gefängnis, Hausarrest oder Exil. Ohne Zweifel ist das der Hauptgrund für seine günstigen Aussichten auf Wiederwahl. Es wird dabei wenig auszuwählen geben.

Gleichwohl stellt sich die Frage, weshalb es dem Oppositionsbündnis MUD nicht gelingt, aus der dramatischen Lage politisches Kapital zu schlagen. Laut Umfragen sind zwei Drittel der Venezolaner gegen das Maduro-Regime, der MUD hat aber genau so viele Gegner. Das hat sich diese Opposition auch selbst zuzuschreiben, sie ist nur dem Namen nach ein Bündnis. Tatsächlich handelt es sich um einen zerstrittenen Haufen, in dem die Hauptdarsteller ihre eigenen Interessen verfolgen. Jeder scheint auf die beste Ausgangsposition für die Maduro-Nachfolge zu schielen. Auch deshalb wird es wohl auf absehbare Zeit gar keinen Nachfolger geben.

Der unfähige Präsident Maduro hat zwei Trümpfe: Gewalt und die Zwietracht seiner Gegner

Maduro hat gelernt, die Schwäche seiner Gegner zu nutzen. Mit einer Doppelstrategie aus Repression und Dialogangeboten treibt er ihre Spaltung voran. Die vorgezogene Präsidentschaftswahl ist der nächste Schachzug. Antreten darf nur, wer die Autorität der Verfassungsversammlung anerkennt. Mögliche MUD-Kandidaten haben also die Wahl zwischen Selbstaufgabe oder Selbstverrat. Es wäre keine Überraschung, wenn das Bündnis im Streit über einen Wahlboykott endgültig zerbräche.

Am liebsten würde er nächsten Sonntag wählen lassen, sagt Maduro, "mit oder ohne Opposition". Sein Kalkül ist wohl, dass jene rund 30 Prozent der Wahlberechtigten ausreichen, die ihm derzeit ihre Stimme geben würden. Auch dabei überlässt er nichts dem Zufall. Wer ein staatliches Lebensmittelpaket erhalten möchte, muss zuvor eine Patriotismus-Karte beantragen und schriftlich erklären, die Regierung zu unterstützen. Maduro erpresst sein Volk also mit der Krise. Die traurige Realität ist: Je mehr Menschen hungern, desto größer sind seine Wahlchancen.

© SZ vom 25.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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