Putschversuch:Operation Fragezeichen in Venezuela

Nach angeblichem Invasionsversuch in Venezuela

Venezuelas Regierung veröffentlichte dieses Bild, das die Festnahme eines der an der "Operation Gedeon" beteiligten Söldner zeigen soll.

(Foto: Ministerio de Comunicacion/dpa)

Die Umstände des angeblichen Putschversuchs erscheinen immer bizarrer. Hat er am Ende der Regierung genutzt?

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Die Operation war geplant wie ein Hollywood-Blockbuster. Doch je mehr Details ans Licht kommen über die gescheiterte Invasion Venezuelas durch ein Grüppchen desertierter venezolanischer Soldaten und früherer US-Elitekämpfer, umso mehr verwandelt sich der Actionfilm in ein bizarres Drama.

Alles begann damit, dass die venezolanische Armee in den frühen Morgenstunden des 3. Mai an der Küste vor der Hauptstadt Caracas ein Boot abfing. Es kam zu einem Feuergefecht, acht der Männer auf dem Boot starben, zwei wurden festgenommen. Es handele sich um eine vereitelte Invasion, erklärte die Regierung daraufhin sofort. Kurz darauf wurde ein Video aus den USA publik: Ein in die USA geflohener ehemaliger General der venezolanischen Armee erklärte darin, die demokratischen Mittel in seiner Heimat seien ausgeschöpft. Darum habe man die "Operation Gedeon" gestartet. Ziel sei es, die venezolanische Führung mit Waffengewalt festzusetzen. Für die Ausführung habe man sich Hilfe von Jordan Goudreau geholt, einem ehemaligen Mitglied einer US-amerikanischen Spezialeinheit.

Breitschultrig steht Goudreau in dem Video neben dem venezolanischen Ex-Militär. Truppen im Westen, Osten und Süden Venezuelas seien aktiviert worden, sagt Goudreau, alles sei Teil eines gewagten Überraschungsangriffs. Mittlerweile ist aber klar, dass die sozialistische Regierung in Caracas wohl schon seit Monaten von dem Plan für einen bewaffneten Umsturzversuch wusste. Gleichzeitig bestand dieser aber wohl aus kaum mehr als ein paar Dutzend verzweifelter ehemaliger venezolanischer Soldaten, die wohl unter falschen Vorgaben für die Operation rekrutiert wurden und dann wider allen besseren Wissens von Kolumbien aus in einem Himmelfahrtskommando in Richtung Venezuela geschickt wurden.

Hat der Söldner-Chef gepfuscht - oder hat die Regierung in Caracas selber mitgedreht?

Seit dem 3. Mai hat die venezolanische Polizei und Armee noch zwei Dutzend weitere Mitglieder der "Operation Gedeon" festgenommen, darunter zwei Amerikaner. Beide waren ehemalige Mitglieder einer US-Eliteeinheit. Dort hatten sie wohl auch Goudreau kennengelernt, einen Kanadier mit US-amerikanischem Pass, der für die amerikanischen Streitkräfte schon im Irak und in Afghanistan gewesen war. In seinen Auftritten im Internet stellt Goudreau sich stets als muskelbepackter Kämpfer da. Mittlerweile betreibt er eine private Sicherheitsfirma in Florida.

Über einen Einsatz bei einem Benefizkonzert an der kolumbianisch-venezolanischen Grenze 2019 kam Goudreau vermutlich in Kontakt mit Mitgliedern der venezolanischen Opposition. So entstand der Plan einer bewaffneten Invasion. Mit Hilfe übergelaufener Militärs rekrutierte Goudreau ehemalige venezolanische Soldaten in Kolumbien. Sie wurden in abgeschiedene Lager an der Grenze zu Venezuela gebracht und dort trainiert.

Bald aber gab es Probleme. Ein prominenter Überläufer wurde von den USA wegen Drogenhandels angeklagt, eine Waffenlieferung wurde von kolumbianischen Behörden beschlagnahmt, und längst war die Gruppe wohl auch von Agenten der Regierung in Caracas infiltriert worden. Am Ende berichteten sogar Journalisten nur wenige Tage vor dem Start der "Operation Gedeon" von einem angeblichen Umsturzversuch. Das wiederum wirft Fragen auf: War es die Stümperhaftigkeit von Goudreau, der seine Männer ins Verderben schickte - oder ist es am Ende ein perfider Plan der Regierung in Caracas, welche die Invasion nun für sich nutzt?

Venezuela befindet sich seit Jahren in einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise. Es tobt ein Machtkampf zwischen der sozialistischen Regierung Maduros und Teilen der Opposition, angeführt vom selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó. Zugleich herrscht in dem ölreichen Land Hunger und Mangel. Nun verschärft die weltweite Krise durch das neuartige Coronavirus die Situation. Die Wut auf die Regierung steigt, gleichzeitig aber gibt es auch eine historisch begründete Ablehnung gegen jedwede Einmischung der USA in interne Angelegenheiten. Eine Invasion, geplant von einem US-amerikanischen Rambo, ist da für die Regierung in Caracas wie ein Geschenk des Himmels.

Sie nutzt die "Operation Gedeon" nun um die Opposition anzugreifen. Interimspräsident Guaidó hatte am Anfang jede Beteiligung abgestritten. Dann aber wurde öffentlich, dass Angehörige der Opposition sogar einen Vorvertrag mit Goudreau geschlossen hatten, diesen dann aber ruhen ließen. Für Guaidó ist die Sache enorm peinlich. Er hat mittlerweile erklärt, die sozialistische Regierung habe von der Invasion gewusst und die Umstürzler absichtlich ins Messer laufen lassen, um die Aktion so für sich nutzen zu können.

Auch die kolumbianische und die US-Regierung beschuldigt Präsident Nicolás Maduro einer Mittäterschaft. In Washington aber bestreitet man jede direkte Verbindung und US-Präsident Donald Trump erklärte, wenn die USA eine Invasion geplant hätten, dann nicht mit so einer kleinen Truppe.

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