Venezuela:Oppositionsführer Guaidó kehrt zurück

Behörden lassen den selbsternannten Interimspräsidenten einreisen. EU und USA hatten das Regime vor Schikanen gewarnt.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Der selbsternannte venezolanische Interimspräsident Juan Guaidó, 35, ist am Montag in sein Heimatland zurückgekehrt. Gegen 12.30 Uhr Ortszeit landete er mit einer Linienmaschine aus Panama auf dem internationalen Flughafen von Caracas. Im Terminal wurde er mit "Guaidó, Guaidó"-Sprechchören empfangen. Auch internationale Diplomaten, darunter der deutsche Botschafter, hatten dort auf seine Ankunft gewartet. Bei der Passkontrolle wurde Guaidó nach eigener Aussage mit den Worten begrüßt: "Herzlich Willkommen, Präsident!" Anschließend rief er im Zentrum der Hauptstadt vor Zehntausenden zu neuen Protesten gegen Staatschef Nicolás Maduro auf.

Seine Rückkehr war in aller Welt mit Spannung erwartet worden: An ihr könnte sich der Machtkampf um Caracas entscheiden. Auf einmal steht der autokratische Staatschef Nicolás Maduro wie ein Verlierer da, denn er hatte eine Verhaftung Guaidós angedroht, der vor gut einer Woche trotz Ausreiseverbots in Kolumbien aufgetaucht war. "Er kann hier nicht einfach aus- und einreisen", sagte Maduro. Jetzt hat Juan Guaidó bewiesen: Doch, er kann.

Damit stellt sich die Frage neu, wer in Venezuela tatsächlich die Grenzen kontrolliert und effektiv die Macht ausübt. Am 23. Februar hatte Guaidó in dieser Hinsicht eine schwere Niederlage einstecken müssen. Es war ihm nicht gelungen, humanitäre Hilfsgüter von Kolumbien aus nach Venezuela hinein zu bringen: Die meisten Grenzschützer standen treu zu Maduro. Im Anschluss unternahm Guaidó eine einwöchige Tour durch Südamerika. Er besuchte die Präsidenten von Brasilien, Paraguay, Argentinien und Ecuador. Am Sonntag wandte er sich von einem unbekannten Ort aus in einer Videobotschaft an die Venezolaner. Dabei bekräftige er seine Absicht, am Montag "nach Hause" zu kommen: "Wenn das Regime es wagen sollte, mich zu entführen, wäre das einer seiner letzten Fehler."

Maduro wagte es offenbar nicht. Das könnte auch mit eindringlichen Warnungen aus Brüssel und Washington zusammenhängen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hatte mitgeteilt, jegliche Maßnahme, die Guaidós "Freiheit, Sicherheit oder persönliche Integrität" gefährde, werde zu einer erheblichen Eskalation der Spannungen führen. Die USA drohten mit einer "starken Reaktion" für den Fall, dass Guaidós Einreise verhindert werde.

Die Opposition hatte Guaidós Heimkehr sehnsüchtig erwartet. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass er jenes Momentum zurückgewinnt, das ihm zuletzt abhandengekommen war. Selbst unter Verbündeten galt es als Fehler, dass Guaidó sein Land verlassen hatte. Die Protestbewegung wirkte seither desillusioniert. Bei der Südamerika-Tour ging es wohl darum, für Maduro die Kosten der angedrohten Festnahme zu erhöhen. Auf allen Stationen wurde Guaidó wie ein Staatsgast empfangen, seine Verhaftung hätte wie ein Putsch ausgehen. Das Kalkül, dass Maduro deshalb vor einer Verhaftung zurückschrecken würde, scheint zumindest vorerst aufgegangen zu sein.

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