Staatskrise:Venezuelas mächtige Generäle und ihre Geschäfte

Nicolas Maduro

Präsident Maduro und Verteidigungsminister Minister Padrino López zu seiner Linken auf einem Propagandabild.

(Foto: AP)
  • Oppositionsführer Guaidó hat in dieser Woche versucht, Venezuelas Militär auf seine Seite zu ziehen, doch er ist gescheitert.
  • Die Offiziere halten weiterhin Maduro die Treue - und dafür gibt es gute Gründe.
  • Es ist lukrativ, dem Militärapparat Venezuelas anzugehören. Denn er kontrolliert die Wirtschaft. Einige hochrangige Offiziere sind in illegale Geschäfte verstrickt.

Von Benedikt Peters und Sebastian Schoepp

Als am Mittwoch klar wurde, dass Juan Guaidó es wieder nicht geschafft hatte, Machthaber Nicolás Maduro zu stürzen, stellte dessen Verteidigungsminister Vladimir Padrino López sarkastisch fest: Es habe sich ja um einen ziemlich "mittelmäßigen Coup" gehandelt.

Padrino López kennt sich aus mit Coups, er hat sie studiert. 1995 absolvierte der derzeit womöglich stärkste Mann Venezuelas einen Kurs in psychologischer Kriegführung am Western Hemisphere Institute for Security Cooperation in Fort Benning, USA, früher bekannt als "School of the Americas". Als diese noch in der Kanalzone Panamas beheimatet war, trainierten die USA dort künftige Putschisten und Diktatoren von Videla über Pinochet bis Noriega. Bei Padrino López haben die USA danebengegriffen, er wendet das Gelernte nun gegen sie an. Da das Militär die faktische Macht in Venezuela hat, schielt alles begierig darauf, was Padrino López, geboren 1963 in Caracas, tut. Maduro verlässt sich auf ihn, Guaidó buhlt um ihn.

Der Oppositionsführer hat übergelaufenen Soldaten eine Amnestie angeboten - egal, was sie unter Maduro angerichtet haben. Aber auf solche Garantien geben Leute wie Padrino López nichts, sie halten sich an den, der die Macht hat. So gelobte der Minister dem Präsidenten am 1. Mai die Treue und sagte, die Kasernen seien unter Kontrolle. Am Donnerstag zeigte er sich sogar mit Maduro im Fernsehen. "Kommt nicht zu uns, um uns mit unehrlichen Angeboten zu kaufen, als ob wir keine Würde hätten", sagt er während der Übertragung. Vorsichtshalber tauschte Maduro aber den Chef des Geheimdienstes Sebin aus, er wird nun geleitet von Gustavo González López, laut Human Rights Watch ein Garant der Unterdrückung.

Die Offiziere kontrollieren den Erdöl- und Bergbausektor - und teils auch den Drogenhandel

Nur an die 500 Soldaten, vor allem unterer Ränge, sollen zu Guaidó übergelaufen sein. Luftwaffengeneral Francisco Yanez Rodríguez und Ex-Sebin-Direktor Manuel Ricardo Cristopher Figuera waren die Ausnahme. Generäle gibt es mehr als genug in Venezuela. Der Soziologe Heinz Dieterich, Berater von Maduros Vorgänger Hugo Chávez, schätzt ihre Zahl auf 1500 bis 2000, zum Vergleich: Die Bundeswehr hat 215. Es ist äußerst lukrativ, den venezolanischen Streitkräften anzugehören, sie kontrollieren die Wirtschaft. 2016 schuf Maduro die "Große Mission der souveränen und sicheren Versorgung" und übertrug Minister Padrino die Zuständigkeit für die Verteilung von Lebensmitteln und Medikamenten. Auch Erdöl- und Bergbausektor sind in der Hand von Offizieren. Weil ihnen das an Pfründen noch nicht reicht, sind viele in den Drogenhandel verstrickt.

Dieterich zufolge funktioniert die Armee seit einer Modernisierung 2003 und 2004 "außerordentlich effizient". Waffen wurden importiert, Suchoi-Kampfjets aus Russland, S-300-Luftabwehrraketen, französische Panzer, spanische Kriegsschiffe. Venezuela gibt dafür viel Geld aus. Der Höhepunkt war, als der Verteidigungshaushalt nach Parlamentsangaben fast fünf Milliarden Dollar betrug, 6,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dieser Anteil ist wegen der sinkenden Öleinnahmen kontinuierlich zurückgegangen. Newsweek hat recherchiert, dass Venezuela fast 700 Panzer und weitere 700 gepanzerte Fahrzeuge hat, etwa 50 Kriegsschiffe und 280 Flugzeuge, darunter 42 Jäger. Russland ist mit Militärberatern präsent, wie Moskau im Februar zugab, wichtiger für die Russen ist jedoch der Ölsektor.

Kubas Einfluss ist enorm

Für die Landesverteidigung hat Venezuela nach Angaben von Außenminister Jorge Arreaza 215 000 Soldaten zur Verfügung. "Die Truppe wurde auch moralisch sehr gut vorbereitet für die Verteidigung der bolivarischen Revolution", sagt Dieterich. Allerdings gab es Berichte, wonach die Moral einfacher Soldaten durch die Versorgungskrise schwer gelitten habe.

"Mach deine Revolution demokratisch, die Zeit des bewaffneten Kampfes ist vorbei", soll Castro zu Chávez gesagt haben

Enorm ist der Einfluss Kubas, das kubanische Staatsmodell wurde Venezuela praktisch übergestülpt, mit all seinen Komitees und Korporationen, die Medizin, Wohnraum und Lebensmittel gegen unbedingtes Bekenntnis zum Chavismus verteilen. Das geht noch auf Hugo Chávez zurück. Er reiste 1994 nach Havanna und ließ sich von Fidel Castro inspirieren. Der brauchte nach dem Wegfall der UdSSR einen neuen Verbündeten. "Mach deine Revolution demokratisch, die Zeit des bewaffneten Kampfes ist vorbei", soll Castro zu Chávez gesagt haben, der sich auch weitgehend daran hielt, anders als Maduro. Nach Chávez' Wahlsieg 1998 lieferte Venezuela Öl, Kuba zahlte mit Ärzten. Venezolaner ließen sich in Kuba ausbilden, auch Maduro absolvierte eine Kaderausbildung an der Parteihochschule der KP in Havanna, was mit ein Grund war, warum der kranke Chávez den Ex-Busfahrer später zum Nachfolger erkor - und nicht etwa den zwielichtigen Parteiideologen Diosdado Cabello.

Cabello ist heute eher zuständig für innere Repression, die läuft über Milizen mit dem Falschnamen Colectivos de la Paz, Einheiten für den Frieden. Sie sollen Zugriff auf fast zwei Millionen Milizionäre haben, behauptet Außenminister Arreaza. Es handelt sich um sehr aggressive paramilitärische Einheiten zur Protestbekämpfung, ausgestattet mit Motorrädern und Waffen. Sie hatten ihren größten Auftritt bei den Aufständen 2017, bei denen es viele Tote gab. Der Historiker Hannes Bahrmann schreibt in seinem Buch über Venezuelas gescheiterte Revolution: Die Milizen seien "integrierter Bestandteil des revolutionären Sicherheitskonzepts".

Und sie sind straffer organisiert und befehligt, als es von außen den Anschein hat, sonst würde ein Juan Guaidó wohl nicht mehr frei und lebendig herumlaufen. Die Generäle sehen ihm dabei zu und warten ab, ob doch noch ein richtiger Coup kommt. Wenn sie nicht irgendwann selbst einen anzetteln und Maduro ins Flugzeug nach Havanna setzen.

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