Es ist im Moment schwer abzuschätzen, ob es Allmachtsfantasien sind, die Nicolás Maduro antreiben oder nicht doch die pure Angst um seine Macht. Am Donnerstag hat der venezolanische Diktator den Kurznachrichtendienst X im Land blockiert. Maduro hat dort zwar selbst ein Profil. Und bisher hat er dieses auch immer gern genutzt, um seinen rund fünf Millionen Followern die Fortschritte seiner sogenannten „Bolivarischen Revolution“ zu verkünden. „Raus mit X!“, schrieb er dort kurz vorher. Für zehn Tage ist der Dienst im Land gesperrt. „Schluss mit den Plänen in den Netzwerken, Gewalt und Hass zu säen!“, tönt Maduro.
Nach einer umstrittenen Wahl Ende Juli hatte sich der Machthaber zum Gewinner erklären lassen. Beweise wurden dafür allerdings keine vorgelegt. Und bis heute hält der nationale Wahlrat, der für die Abstimmung zuständig ist, die Ausdrucke der elektronischen Wahlurnen zurück. So ist es nicht möglich, das Ergebnis der Abstimmung unabhängig nachzuprüfen.
Die Opposition beansprucht gleichzeitig den Sieg für sich, und sogar das Carter Center gibt ihr recht. Die Organisation aus Atlanta, im US-Bundesstaat Georgia, war eine der wenigen, die zur Überwachung der Abstimmung ins Land reisen durfte. Diese könne man „nicht demokratisch“ nennen, heißt es in einem Bericht.
Über X wurden Falschnachrichten und Aufrufe zu Protesten verbreitet, so der Vorwurf
Nach Bekanntgabe des angeblichen Wahlergebnisses gab es in Venezuela jedenfalls riesige Proteste. Die Regierung schickte daraufhin die colectivos los, Schlägertrupps auf Motorrädern, bewaffnet und gewaltbereit, dazu auch Polizisten, Soldaten und die Geheimdienste. Mehr als 2000 Menschen sollen in den vergangenen Tagen verhaftet worden sein. Nun drohen Strafen von 20 oder 30 Jahren wegen „Heimatverrat“ oder „Anstiftung zum Hass“.
Die brutale Repression hat die erste große Protestwelle zum Erliegen gebracht – und eine zweite soll jetzt scheinbar im Keim erstickt werden. Darum das Verbot des Kurznachrichtendienst X: Über ihn, so der Vorwurf, seien bisher Falschnachrichten und Demonstrationsaufrufe verbreitet worden. Dazu will man auch noch die Messenger-Apps Signal und sogar Whatsapp aussperren. Es scheint, als wäre Maduro notfalls sogar bereit, das Internet im Land abzuschalten. Ein Diktator gegen das gesamte World Wide Web – ein Sieg ist da eher unwahrscheinlich. Trotzdem: Erst mal hat das Regime die Lage im Land wohl unter Kontrolle gebracht.
Damit das so bleibt, braucht Maduro aber Unterstützer – und deren Zahl schwindet. Selbst in der lateinamerikanischen Linken, die sonst immer mehr oder minder geschlossen hinter der chavistischen Regierung in Caracas stand, bröckelt der Rückhalt. Die wichtigsten Stützen aus dem Ausland für das Regime sind darum derzeit China und Russland. Mit Peking gibt es umfassende Verträge für die wirtschaftliche Zusammenarbeit, ebenso wie für technologischen und wissenschaftlichen Austausch. Russland wiederum soll vor allem dabei helfen, Stärke zu zeigen: Es gibt unbestätigte Gerüchte über russische Söldner in Venezuela. Und Mitte dieser Woche legte in Venezuela ein Kriegsschiff der russischen Ostseeflotte an. Das Ziel: die Stärkung der Partnerschaft zwischen Moskau und Caracas.
Bisher stehen die Generäle hinter Maduros Regime
Dass Nicolás Maduro sich bisher an der Macht halten konnte, wäre aber nicht möglich, wenn es nicht auch Rückhalt im Land selbst gäbe, ganz besonders bei den Streitkräften. In der venezolanischen Geschichte fungierten sie immer wieder als eine Art Schiedsrichter – wobei die Position der Generäle dabei aber natürlich nie ganz unparteiisch war.
Niemand wusste das wohl besser als Hugo Chávez: Der linke Staatschef und Namensgeber des sogenannten Chavismus, zu dem sich auch der aktuelle Machthaber Nicolás Maduro zählt, war vor seiner Zeit als Politiker selbst beim Militär. 1998 gewann Chávez die Wahlen. Von da an päppelte er die Streitkräfte, wo es nur ging. Heer, Luftwaffe und Marine wurden massiv ausgebaut, ebenso wie die Nationalgarde, verschiedene Geheimdienste und auch die colectivos, eben jene regierungstreuen Schlägertrupps, die nun in den Straßen von Caracas und vielen anderen Städten Venezuela Angst und Schrecken verbreiten.
Über ein Vierteljahrhundert flossen die Gelder, selbst dann noch, als die wirtschaftliche Situation immer angespannter wurde. Dies zahlt sich jetzt aus: Bisher stehen die Generäle hinter Nicolás Maduro und seinem Regime. Anfang dieser Woche hatte die Opposition an alle Soldaten und Polizisten appelliert, sich an die Verfassung zu halten und „illegale Befehle“ nicht zu befolgen. Vergeblich. General Vladimir Padrino, Venezuelas Verteidigungsminister, wandte sich umgehend an die Presse und erklärte der Regierung seine „absolute Loyalität“.