Machtkampf in Venezuela:Diplomatie der Gefühligkeit

Rally against Venezuelan President Nicolas Maduro's government in Caracas

Frisch, forsch, sympathisch: Juan Guaidó (im Bild mit seiner Frau Fabiana Rosales) hat in Europa schnell Unterstützer gefunden.

(Foto: REUTERS)

Ist er nicht sympathisch, der Herausforderer von Präsident Maduro? Ja, aber das sollte kein Grund für andere Staaten sein, sich bedingungslos an die Seite von Juan Guaidó zu stellen.

Kommentar von Sebastian Schoepp

Als Donald Trumps Sicherheitsberater John Bolton kürzlich eine eingefärbte Weltkarte mit Sympathisanten und Feinden des Maduro-Regimes in Venezuela hochhielt, protestierten die Mexikaner heftig. Man gehöre keineswegs zum Maduro-Lager, wie die Karte insinuiere. Man habe nur - anders als der größte Teil der Welt - realistisch bleiben wollen. Mexiko war eines der wenigen Länder, die nicht sofort Maduros Herausforderer Juan Guaidó unterstützten. "Wir ergreifen nicht die Partei von Maduro, wir ergreifen nicht die Partei von Guaidó", stellte Mexikos Botschafterin klar.

Diese Haltung macht Mexiko, neben Uruguay, zur einzig verbliebenen Kraft, die noch eine minimale Chance hat, im festgefahrenen venezolanischen Machtkampf Kompromisse aufzuzeigen. Zwar hat Maduro am Wochenende in Aussicht gestellt, die Parlamentswahl von 2020 auf 2019 vorzuziehen, das aber lehnt die Opposition ab. Sie fordert wie auch die EU eine vorgezogene Präsidentschaftwahl, was wiederum Maduro ablehnt.

Die "Kontaktgruppe", die die EU am Donnerstag ins Leben rief und, die am nächsten Donnerstag zum ersten Mal zusammenkommen soll, dürfte hingegen schon verspielt haben. In 90 Tagen soll sie den Konflikt lösen, was arg ambitioniert klingt angesichts der Tatsache, dass der spanische Ex-Regierungschef José Luis Zapatero schon Jahre ohne Erfolg in Caracas zu vermitteln versucht hatte. Wer dort jetzt etwas erreichen will, muss Maduro Zugeständnisse abringen. Das wird kaum schaffen, wer sich, wie viele EU-Länder, im Prinzip die Position der Gringos zu eigen gemacht hat und bedingungslos zu Guaidó steht.

Der gibt sich deshalb übertrieben selbstbewusst, behauptet, er brauche keine Vermittler.

In der Tat muss man zugeben, dass die Selbstermächtigung Guaidós anfangs ein gewaltiges Momentum hatte: Ein frisch, forsch und sympathisch wirkender junger Parlamentspräsident trat da an, einen finsteren Machthaber herauszufordern, der Wahlen gefälscht und das Parlament entmachtet hat. Ist doch klar, dass die Sympathien erst einmal dem David im Kampf gegen den altsozialistischen Goliath gehörten. Allerdings ist die Frage, ob Sympathie ein Mittel der Diplomatie sein soll.

Dieser Meinung zu sein schienen ebenfalls als frisch und forsch geltende Polit-Jungstars wie der Franzose Emmanuel Macron und der Kanadier Justin Trudeau. Sie schlugen sich publikumswirksam auf die Seite des Herausforderers; der ebenfalls als frisch und forsch durchgehende Spanier Pedro Sánchez attestierte Guaidó Mut. Da wollten Angela Merkel und das EU-Parlament nicht nachstehen.

Mut ist Guaidó nicht abzusprechen, seine Kompromissfähigkeit aber wird er noch beweisen müssen. Kaum Grund gibt es, seine demokratische Gesinnung anzuzweifeln. Bei seinem Hintermann Leopoldo López ist das schon anders. Das ist ein Scharfmacher, der im Hausarrest sitzt, weil die Regierung ihm - wohl nicht zu Unrecht - vorwirft, die Verantwortung für schwere Krawalle zu tragen.

Hinzu kommt, dass die Begründung, mit der Guaidó sich zum Präsidenten erklärte, Fragen aufwirft. Er beruft sich auf die Verfassung, in der steht: Wenn in Venezuela das Präsidentenamt vakant ist, dann ist der Parlamentspräsident eben Staatspräsident - bis zur nächsten Wahl. Aber vakant ist der Präsidentensessel nicht. Dass Maduro darauf wegen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl 2018 zu Unrecht sitzt, kann und muss man ihm vorwerfen. Aber darf man ihn deshalb aus dem Amt entfernen? Die Diplomatie der Gefühligkeit scheint dieser Meinung zu sein. Außer im nüchternen Mexiko.

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