Venezuela:Komplott in Flanell

Kampfdrohnen oder doch nur explodierendes Küchengas? Venezuelas Präsident behauptet mal wieder, man trachte ihm nach dem Leben - und beschuldigt wie so oft einen Friedensnobelpreisträger im Nachbarland.

Von Boris Herrmann , Rio de Janeiro

Venezuela: Leibwächter halten schusssichere Matten vor Präsident Maduro.

Leibwächter halten schusssichere Matten vor Präsident Maduro.

(Foto: Xinhua/AP)

Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro hatte gerade verkündet, "die Stunde der wirtschaftlichen Erholung" sei gekommen. Dazu hätten viele Bürger sicherlich gerne mehr gehört in dem von Hunger und Hyperinflation geplagten Land. Aber genau in diesem Moment war bei der Übertragung im Staatsfernsehen eine Explosion zu hören. Man sah noch, wie Maduros Ehefrau Cilia Flores, die neben ihrem Mann auf der Bühne stand, zusammenzuckte und in den Himmel blickte. Dann gab es einen Schnitt, im Bild waren jetzt Dutzende eben noch in Reih und Glied stehende Soldaten, die plötzlich in alle Richtungen davonrannten. Damit endete die Übertragung von Maduros Festrede zum 81-jährigen Bestehen der venezolanischen Nationalgarde.

Eine unabhängige Überprüfung der Angaben ist im Fall von Venezuela schwer möglich

Nun rätselt das Land, was genau passiert ist. Aus Erfahrung trauen die meisten Venezolaner keinem staatlichen Fernsehbild, keiner amtlichen Mitteilung und keinem Wort ihres autoritären Präsidenten. Informationsminister Jorge Rodríguez zufolge ist Maduro am Samstagnachmittag einem Mordkomplott entgangen. Das Attentat sei mit sprengstoffbeladenen Drohnen verübt worden, der Präsident blieb aber unversehrt, sieben Mitglieder der Nationalgarde seien verletzt worden. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben ist im Fall von Venezuela schwer möglich.

Am Sonntag zitierte die amtliche Nachrichtenagentur AVN Innenminister Néstor Reverol, sechs Menschen seien festgenommen, mehrere Fahrzeuge beschlagnahmt worden. Maduro selbst hielt am Samstagabend vom Präsidentenpalast Miraflores aus eine weitere Fernsehansprache. Er sagte: "Sie haben heute versucht, mich umzubringen." Alles deute auf einen Anschlag der ultrarechten venezolanischen Opposition in Allianz mit ultrarechten Kolumbianern hin. Er habe nicht den geringsten Zweifel, dass "der Name Juan Manuel Santos" hinter dem Attentat stecke.

Kolumbiens Präsident und Friedensnobelpreisträger Santos gehört seit längerer Zeit zu den schärfsten Kritikern des autoritären Regimes in Venezuela. Die Nachbarschaft ist angespannt, von diplomatischen Beziehungen kann kaum noch die Rede sein. Aber der Vorwurf, Juan Manuel Santos habe ein Mordkomplott gegen Maduro angeführt, ist eine bislang einmalige Zuspitzung der Krise. Das Außenministerium in Bogotá wies die Anschuldigung in aller Schärfe zurück. Sie seien "absurd und vollkommen haltlos". In dem Statement hieß es: "Es ist schon Brauch, dass der venezolanische Amtsträger Kolumbien ständig für alle möglichen Dinge verantwortlich macht." Am Dienstag übergibt Santos sein Amt an den gewählten Nachfolger Iván Duque.

Auch in Venezuela gibt es erhebliche Zweifel am mutmaßlichen Anschlag. Die Agentur AP berichtete, Feuerwehrmänner hätten der offiziellen Version widersprochen. Demnach habe es sich bei dem Knall, der im Staatsfernsehen zu hören war, um die Explosion eines Gasbehälters in einer nahen Wohnung gehandelt. Oppositionspolitiker befürchten, Maduro könnte den Vorfall nutzen, um noch härteres Vorgehen gegen Kritiker zu rechtfertigen. So wie bei vergleichbaren früheren Fällen.

Auf Twitter bekannte sich eine weitgehend unbekannte Gruppe "Soldados de Franela" (Flanell-Soldaten) zu dem Anschlag. Sie hätten versucht, Drohnen zum Podest des Präsidenten zu steuern. Diese seien aber von der Ehrenwache abgeschossen worden. Die Bekenner schrieben: "Wir haben gezeigt, dass sie verwundbar sind, heute ist es nicht gelungen, aber das ist nur eine Frage der Zeit." Wer aber tatsächlich hinter diesen Tweets steckt, das gehört zu den vielen offenen Fragen in diesem Fall.

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