Venezuela gegen Kolumbien:Chávez und sein Zorn auf den Nachbarn

Weiterer Tiefpunkt im Verhältnis: Venezuelas Präsident bricht wutentbrannt die Beziehungen zu Kolumbien ab. Der Nachbar hatte sein Land wieder einmal bezichtigt, Farc-Rebellen zu dulden.

Gökalp Babayigit

Ist es nur ein "farewell kick", wie der Guardian schreibt: ein Abschiedstritt, den Kolumbiens scheidender Präsident Álvaro Uribe dem heißblütigen Hugo Chávez mitgeben wollte, damit dieser auch nicht vergesse, wie schlecht sich die beiden Regierungschefs verstanden haben? Oder ist es der endgültige Bruch zwischen den Nachbarn?

Fest steht: Die Beziehungen zwischen Kolumbien und Venezuela sind mal wieder an einem Tiefpunkt angelangt. Mal wieder sind die jeweiligen Botschafter abgezogen, mal wieder ist fürs Grenzgebiet höchste Alarmbereitschaft angeordnet.

"Wir haben keine andere Wahl, als um unserer Würde willen die Beziehungen zu unserer Brudernation Kolumbien vollständig abzubrechen", sagte Venezuelas Präsident in einer live übertragenen Fernsehsendung. Eine Sendung, bei der Chávez selbst den sonst so beredten Diego Maradona zum Schweigen brachte. Der argentinische Fußballgott war als Gast im Studio.

Was war passiert? Auf einer Konferenz der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington hatte die kolumbianische Delegation Venezuela scharf angegriffen. Der Botschafter Kolumbiens, Alfonso Hoyos, sagte, es gebe klare Belege dafür, dass 1500 kolumbianische Rebellen der Farc und der ELN in Camps auf venezolanischem Gebiet ihren Unterschlupf hätten. Er präsentierte Videos, Karten und Fotos, um die Anschuldigungen zu untermauern. "Wir dürfen nicht zulassen, dass sich dieser Albtraum ausbreitet."

Hoyos forderte von Venezuela, einer internationalen Kommission und Journalisten zu erlauben, die angeblich 87 Verstecke zu inspizieren. "Sie essen frittiertes Schweinefleisch und werden fett, um ausgeruht ihre Angriffe auf Kolumbien fortzuführen."

Die Antwort von Chávez ließ nicht lange auf sich warten. Er beschimpfte den scheidenden kolumbianischen Präsidenten Uribe als Mafiaboss, Verrückten und Kriminellen. Er traue Uribe sogar zu, selbst unechte Lager im venezolanischen Dschungel zu errichten, um sie dann anzugreifen, zu bombardieren und um so Krieg zwischen Kolumbien und Venezuela heraufzubeschwören. "Wir tolerieren die Farc nicht", sagte er.

Seit acht Jahren schwelt der Streit zwischen den Nachbarn, der auch Konsequenz des hart geführten Kampfs Kolumbiens gegen die Farc ist. Uribe war stets überzeugt davon, den Krieg gegen die Rebellen militärisch gewinnen zu können. Dementsprechend rücksichtslos ging er gegen sie vor. Er ließ sie über die kolumbianisch-ecuadorianische Grenze hinweg verfolgen und verletzte so die Souveränität Ecuadors. Und er kooperierte mit Washington, als er den Amerikanern die Nutzung von sieben kolumbianischen Basen erlaubte und sich so ihre Unterstützung im Kampf gegen die Drogenmafia sicherte.

Für Chávez war dieser im Geheimen ausgehandelte Deal der berühmte letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte und die Beziehung endgültig in die Brüche gehen ließ. Der venezolanische Präsident fühlte sich bedroht von so naher Präsenz amerikanischer Streitkräfte. Im vergangenen Jahr kappte er die Handelsbeziehungen zum Nachbarn, was der Wirtschaft beider Staaten nicht guttat.

"Lakaien des amerikanischen Imperiums"

Mit den neuen Anschuldigungen goss Uribe kurz vor Ende seiner Amtszeit noch einmal Öl ins Feuer. Ob der neue Präsident Juan Manuel Santos, der am 7. August in Bogotá die Amtsgeschäfte übernehmen wird, eine Besserung bringen wird, bleibt abzuwarten. Erste Äußerungen von Chávez vor einigen Wochen stimmten noch skeptisch, wenngleich Nachfolger Santos das Wort Aussöhnung offenbar schon im Mund führte.

Zwar scheint Chávez keine großen Unterschiede zwischen den beiden zu machen. Santos sei ebenso wie Uribe ein Lakai des amerikanischen Imperiums und "eine Bedrohung für uns alle", ließ der Präsident noch vor einiger Zeit wissen.

Aber in Maradonas Anwesenheit äußerte Chávez am Donnerstag auch seine Hoffnung auf eine Verbesserung des Verhältnisses. Vielleicht kehren die beiden Botschafter schneller in die Hauptstädte des jeweiligen Nachbarn zurück, als sie denken.

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