Venezuela:Eine Insel für Gespräche

Rally against Maduro's government, in Caracas

Flagge zeigen: Venezuelas Interimspräsident Juan Guaidó.

(Foto: Stringer/REUTERS)

Die Konfliktparteien des zerrissenen Landes wollen nun wieder verhandeln, diesmal auf Barbados und wieder unter Vermittlung Norwegens.

Von Christoph Gurk

Welch tief gespaltenes Land Venezuela ist, zeigte sich wieder am Unabhängigkeitstag. Aus diesem Anlass nahm Staatschef Nicolás Maduro eine Militärparade ab, mit Hunderten Soldaten, Panzern Hubschraubern und Kampfflugzeugen. Zeitgleich marschierten Tausende Venezolaner am Freitag durch die Hauptstadt Caracas. Sie forderten wütend Gerechtigkeit für einen Ende Juni verstorbenen Korvettenkapitän. Die Regierung habe ihn zu Tode gefoltert, sagt der selbsternannte Interimspräsidenten Juan Guaidó. Darum verweigerte er seitdem Gespräche mit der Regierung Maduros. Bis jetzt, so scheint es.

Schon diese Woche soll es neue Verhandlungen geben, das erklärte nun das norwegische Außenministerium. Es fungiert in dem Streit als Vermittler. Im Mai war Norwegen Gastgeber von Gesprächen gewesen, die aber ohne Ergebnis endeten. Diesmal werden sich Regierung und Opposition auf der Karibikinsel Barbados treffen. Ein genauer Termin ist noch nicht bekannt. Kommunikationsminister Jorge Rodriguez bestätigte die Mitteilung der norwegischen Behörden indirekt, indem er ihre Mitteilung bei Twitter teilte. Juan Guaidó wiederum veröffentlichte eine eigene Erklärung: Es gäbe nicht unbegrenzt Zeit, jeden Tag verschlimmere sich die Situation im Land, und es brauche eine schnelle Lösung. "Wir werden nicht ruhen, bis das Leiden der Venezolaner ein Ende gefunden hat", so Guaidó.

Das südamerikanische Land ist in den vergangenen Jahren in eine tiefe Krise gerutscht. Die Landeswährung ist völlig entwertet, der Internationale Währungsfonds rechnet für das laufende Jahr mit einer Inflation von zehn Millionen Prozent. Venezuela besitzt die größten bekannten Erdölreserven der Welt, dennoch fehlt es den Menschen an so gut wie allem: Krankenhäuser haben kaum noch nötige Medikamente, und Kinder sterben an Unterernährung. Die Menschen stehen stundenlang in der prallen Sonne Schlange, um ihre Autos vollzutanken, und immer wieder tauchen tagelange Stromausfälle das Land ins Dunkel.

Zu der wirtschaftlichen Krise kommt eine politische: Seit Monaten liefern sich Regierung und bürgerliche Opposition einen erbitterten Machtkampf. Nicolás Maduro wurde letztes Jahr in einer höchst umstrittenen Wahl im Amt bestätigt. Weite Teile der Opposition erkennen die Abstimmung nicht an. Sie unterstützen stattdessen den 35-jährigen Juan Guiadó, der sich im Januar selbst zum Interimspräsidentenerklärt hat.

Beide Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber. Guaidó wird von mehr als 50 Staaten weltweit anerkannt, darunter auch von den USA und Deutschland. Maduro dagegen weiß Russland und vor allem auch das Militär und den Sicherheitsapparat hinter sich. In den letzten Monaten wurden Massendemonstrationen gegen die Regierung gewaltsam niedergeschlagen und Oppositionelle verhaftet. In den Gefängnissen komme es zu Folter, so ein am Freitag erschienener UN-Bericht. Er sorgte für Aufsehen, weil er allein für letztes Jahr vonmehr als 5000 außergerichtlichen Hinrichtungen ausgeht, verübt von Sondereinsatzkommandos der Polizei. Laut den Vereinten Nationen haben bislang mehr als vier Millionen Venezolaner ihr Land verlassen.

In den neuen Verhandlungen will Interimspräsident Juan Guaidó freie Wahlen erreichen, dazu die Bildung einer Übergangsregierung - und vor allem auch den Rücktritt von Nicolás Maduro. Der schließt neue Wahlen nicht aus, allerdings nur für das Parlament des Landes, das ohnehin von der Opposition dominiert und heute faktisch entmachtet ist. Sein Präsidentenamt dagegen stehe nicht zur Disposition, so Maduro.

Schon in der Vergangenheit hat sich seine Regierung stets verhandlungsbereit gezeigt, sie ging dann allerdings kaum Zugeständnisse ein. Kritiker glauben darum, Maduro und seine Regierung wolle mit den erneuten Verhandlungen auch wieder nur Zeit gewinnen.

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