Venezuela:Die ganze Macht für Maduro

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Anhänger der Regierungspartei feiern in Caracas. (Foto: Cristian Hernandez/AFP)

Die sozialistische Regierung in Venezuela vermeldet einen Erdrutschsieg bei der Parlamentswahl. Die Opposition hingegen sieht Betrüger am Werk.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Die sozialistische Regierung in Venezuela hat ihre Macht in dem südamerikanischen Land noch weiter verstärkt. Bei den am Sonntag abgehaltenen Parlamentswahlen kommt das Regierungsbündnis nach Auszählung von 82 Prozent der Wählerstimmen auf ein Ergebnis von rund 67 Prozent. Es wird in Zukunft über zwei Drittel der 277 Sitze im Parlament verfügen.

Präsident Nicolás Maduro und seine Partei dominieren durch den Sieg nun alle politischen Institutionen des Landes. Gleichzeitig ist das Ergebnis ein herber Rückschlag für die Opposition in Venezuela. Sie hatte zuvor die Mehrheit im Kongress und organisierte von hier aus den Widerstand gegen die zunehmend autoritär agierende Regierung. Anfang 2019 erklärte sich Parlamentspräsident Juan Guaidó sogar zum Interimspräsidenten Venezuelas. Rund 60 Nationen erkannten ihn umgehend an, darunter auch die USA und Deutschland. Zu einem Regierungswechsel aber kam es nicht, stattdessen entbrannte ein erbitterter Machtkampf, der bis heute andauert.

Die Abstimmung am Sonntag wurde von Guaidó und weiten Teilen der Opposition von vorneherein boykottiert. Sie sahen eine faire Abstimmung als nicht gegeben an. Immer wieder hat die Regierung in Caracas in den letzten Jahren Kritiker verhaften lassen und Oppositionskandidaten per Gericht von der Teilnahme an Wahlen ausgeschlossen. Eine Mission der UN-Menschenrechtskommission hat zudem außergerichtliche Hinrichtungen durch Spezialeinheiten der Polizei angeprangert; es komme zu systematischer Folter und Entführungen.

In den nächsten Tagen hat die Opposition zu einer eigenen Volksbefragung über das Internet aufgerufen. Umfragen haben aber ergeben, dass ein Großteil der Venezolaner sowohl von der sozialistischen Regierung als auch von der Opposition enttäuscht ist.

Das einst vergleichsweise wohlhabende und immer noch erdölreiche Venezuela steckt seit Jahren in einer tiefen Krise. Korruption, Vetternwirtschaft und ein hartes US-Embargo haben die Wirtschaft kollabieren lassen. Es herrscht die höchste Inflation der Welt, die Landeswährung ist kaum noch das Papier wert, auf das sie gedruckt ist. Immer wieder kommt es zu Stromausfällen, es fehlt an Nahrungsmitteln, Treibstoff und Medikamenten. Fünf Millionen Venezolaner haben in den letzten Jahren wegen Armut, Not und politischer Verfolgung ihr Land verlassen. Mit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie hat sich die Lage noch einmal verschärft.

Viele Venezolaner sind heute angewiesen auf staatliche Nahrungsmittelpakete. Kritiker beklagen seit Langem, dass die Regierung die Essenslieferung zur politischen Einflussnahme einsetzen würde. So gab es auch im Vorfeld der Parlamentswahlen vom vergangenen Sonntag Gerüchte, nach denen die Regierung denjenigen die Unterstützung streichen würde, die nicht zur Abstimmung gehen oder der Opposition ihre Stimme geben. Konkrete Beweise gibt es hierfür zwar nicht, zuletzt aber haben hohe Parteifunktionäre die Gerüchte indirekt bestärkt. Wer nicht wähle, solle auch nicht essen, erklärte Diosdado Cabello, der Präsident der Verfassungsgebenden Versammlung, bei einer Wahlkampfveranstaltung Ende November.

Die Organisation Amerikanischer Staaten mit Sitz in Washington hat bereits erklärt, die Wahlen nicht anerkennen zu wollen. Ebenso hat die Bundesregierung die Abstimmung bereits scharf kritisiert. "Aus unserer Sicht waren die Wahlen nicht frei und auch nicht fair", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts am Montag in Berlin. Man wolle sich nun mit europäischen Partnern über das weitere Vorgehen verständigen.

Dabei muss auch die Frage geklärt werden, wie man in Zukunft mit der Oppositionsführung umgeht. So verliert Juan Guaidó mit der Nichtteilnahme an den Wahlen nicht nur seinen Sitz im Parlament, sondern gleichzeitig auch seinen Posten als Vorsitzender der Nationalversammlung und damit auch die Legitimation für seinen Anspruch als Interimspräsident.

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