Venezuela:Der Dreiviertel-Diktator

Präsident Nicolás Maduro hat das ihm unliebsame Parlament entmachtet.

Von Boris Herrman

Keine Demokratie ist ohne Wahlen denkbar, aber wenn die Wahlen so ablaufen wie am Sonntag in Venezuela, dann können sie auch zur Zerstörung der Demokratie beitragen. Staatspräsident Nicolás Maduro hat vorab die Spielregeln festgelegt. Das schwindende Lager seiner Anhänger wird deshalb als Sieger aus dieser Scheinwahl hervorgehen, zumal sich die Opposition aus Protest gar nicht beteiligte. Laut Sprachregelung durften die Venezolaner über eine "verfassungsgebende Nationalversammlung" abstimmen. Tatsächlich war es die Entmachtung des echten Parlaments.

Bei den bislang letzten Wahlen, die diesen Namen verdienen, gewannen Maduros Gegner 2015 rund zwei Drittel der Sitze in der eigentlichen Nationalversammlung. Das Volk Venezuelas hat sein Urteil über diesen Dreivierteldiktator also längst an der Urne kundgetan. Eine Weile konnte Maduro weitgehend ungestört am Wählerwillen vorbeiregieren - bis zum Beginn der Straßenproteste Anfang April. Mit der sogenannten Wahl vom Sonntag schafft er sich nun ein neues Parlament. Eines, das ihm besser passt.

Es gibt wohl nur drei Dinge, die Maduro kurzfristig zum Umdenken bewegen könnten: eine Revolte des Militärs, harte Sanktionen der wichtigsten Erdölkunden USA und China oder die Einsicht, dass er ein einstmals reiches Land geradewegs in den Untergang führt. Auf Punkt drei sollte man zuallerletzt wetten.

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