Venezuela:Begegnung in Bogotá

Venezuelas selbsternannter Interimspräsident Guaidó und US-Vizepräsident Pence schlagen scharfe Töne an. Doch die Lima-Gruppe will keine Militärintervention.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Mike Pence, Juan Guaido, Ivan Duque

Demonstrativ einig: Venezuelas Interimspräsident Juan Guaidó, Kolumbiens Präsident Ivan Duque und US-Vizepräsident Mike Pence in Bogotá.

(Foto: Martin Mejia/AP)

Die sogenannte Lima-Gruppe, in der sich gut ein Dutzend amerikanische Staaten zusammengeschlossen haben, unterstützt keine militärische Intervention in Venezuela. Bei einem Treffen der Gruppe am Montag in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá wurde zwar die gewaltsame Blockade von Hilfstransporten seitens der venezolanischen Regierung von Nicolás Maduro scharf verurteilt. Die Anwendung von Gewalt zur Lösung der Krise in Venezuela sei aber "unannehmbar", hieß er in einer Erklärung des federführenden peruanischen Außenministeriums. Das Bündnis ziele stattdessen auf härtere politische und finanzielle Maßnahmen gegen die Regierung Maduro, um "auf friedlichem Weg demokratische Neuwahlen in Venezuela einzuleiten".

An dem Treffen in Bogotá nahmen auch der selbsternannte venezolanische Interimspräsident Juan Guaidó, 35, sowie US-Vizepräsident Mike Pence teil. Von ihnen waren deutlich schärfere Töne zu hören. Guaidó warnte vor zu viel Nachgiebigkeit im Umgang mit dem Regime in Caracas, jetzt sei der Moment gekommen, um zu handeln, sagt er. Konkrete Handlungsschritte nannte er dabei nicht. Pence bekräftigte, dass weiterhin "alle Optionen auf dem Tisch" seien. Die USA, die kein offizielles Mitglied der Lima-Gruppe sind, hatten auch schon zuvor eine Militärintervention nicht ausgeschlossen.

Um den Druck auf Maduro zu erhören, kündigte Pence neue Sanktionen gegen Venezuela an. Dabei geht es konkret um vier venezolanische Gouverneure, die Washington für die Gewalt am vergangenen Wochenende an den Grenzen mitverantwortlich macht. Die Betroffenen hätten Hilfslieferungen blockiert und friedliche Demonstrationen unterdrückt, sagte Pence. Er rief alle Mitglieder der Lima-Gruppe dazu auf, dem Beispiel Washingtons zu folgen und venezolanischen Vermögen aus Öl-Einnahmen umgehend einzufrieren. Der Schritt könne dazu beitragen, um Maduro "weiter zu isolieren", sagte er. Die Lima-Gruppe hatte sich im August 2017 mit dem erklärten Ziel gebildet, eine Verhandlungslösung in der Venezuela-Krise auszuloten. Zu ihren Gründungsmitgliedern zählen unter anderem Brasilien, Argentinien, Mexiko, Peru, Kolumbien und Kanada. In dem Zusammenschluss selbst herrscht aber keineswegs Konsens darüber, wie diese friedlichen Lösung zu erreichen ist.

Während Kolumbien und Brasilien die US-Position eines möglichst harten Vorgehens gegen "den Diktator Maduro" unterstützen, versucht vor allem Peru die Möglichkeiten für eine Dialoglösung offen zu halten. Drei Mitglieder haben bislang nicht einmal Juan Guaidó als legitimen Übergangspräsidenten anerkannt: das Schwergewicht Mexiko sowie die Leichtgewichte Guyana und Santa Lucía.

Ein einstimmiger Beschluss war deshalb nicht zu erwarten. Einigen konnte man sich auf die Formulierung, dass ein "diplomatischer Ring" eingerichtet werden solle, um Maduro zum Rücktritt zu bewegen. Mexiko nahm an dem Treffen am Montag in Bogotá nicht teil. Staatspräsident Andrés Manuel López Obrador rief den Sitzungsteilnehmern aus Mexiko-Stadt zu: "Das Beste ist es, der Versuchung, Gewalt anzuwenden, zu widerstehen." Es müssten jetzt "Brücken des Verstehens" gebaut werden. Der Machtkampf um Venezuela hatte sich am Samstag dramatisch zugespitzt, als Guaidó versuchte, mit Tausenden Freiwilligen Lebensmittel und Medikamente in das Land zu bringen. Damit wollte er auch demonstrieren, dass er die Kontrolle über die Grenzen und de facto die Macht in Venezuela übernommen hat. Der Plan ging aber nicht auf. Nur eine kleine Zahl von Soldaten lief ins Guaidó-Lager über. Der größte Teil der Streitkräfte gehorchte dem Blockade-Befehl Maduros und drängte die humanitären Hilfstransporte mit Tränengas und Gummigeschossen zurück. Nach UN-Angaben gab es dabei mindestens vier Tote und mehr als 300 Verletzte.

Guaidó begann seinen Auftritt in Bogotá mit der Bitte um eine Schweigeminute für die "Opfer des Massakers" vom Samstag. Den Namen "Maduro" nahm er in seiner Rede nicht ein einziges Mal in den Mund. Es wurde trotzdem deutlich, wen er meinte, als er von einer "Bedrohung für die Stabilität des Kontinents" sprach.

Bereits am Sonntag war Juan Guaidó in Bogotá mit militärischen Ehren empfangen worden - wie ein echter Staatspräsident. In den kommenden Tagen wird es für ihn erst einmal darum gehen, wie er in Venezuelas Hauptstadt Caracas zurückkommt. Falls es Maduro gelingen sollte, ihn an der Grenze genau so zu blockieren wie die Hilfstransporte, dann wäre Guaidós Machtanspruch entscheidend geschwächt.

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