Süddeutsche Zeitung

Vatikan:Unheiliger Umgang mit Geld

Im Zusammenhang mit den skandalösen Immobiliengeschäften im Kirchenstaat tauchen nun immer neue Details auf, die zeigen, wie lückenhaft die interne Finanzkontrolle in jüngster Zeit gewesen ist.

Von Andrea Bachstein

Der Australier legte den Finger in die Wunde, noch ehe er in das Flugzeug stieg, das ihn am Donnerstag nach drei Jahren zurück nach Rom brachte: "Der Papst wurde gewählt, um bei den Finanzen des Vatikan aufzuräumen. Er hat lange daran gearbeitet, und man muss ihm danken und gratulieren angesichts der jüngsten Entwicklungen." Er meinte die Entlassung des tief in ein skandalöses Immobiliengeschäft verstrickten Kardinals Angelo Becciu. Der musste vergangene Woche als Präfekt der Kongregation für Heilig- und Seligsprechungen zurücktreten, Becciu muss auch auf alle Kardinalsrechte verzichten. Dass Kardinal George Pell, dessen Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Australien aufgehoben wurde, Beccius Sturz begrüßte, war auch eine Form von Nachtreten.

In seiner früheren Funktion als Wirtschaftspräfekt des Vatikan war Pell mit Becciu, damals Substitut im Staatssekretariat, offenbar öfter zusammengestoßen. Becciu verweigerte Kontrollen, die Pell verlangte. Dass der 72-jährige Becciu tatsächliche seltsame Geschäfte zum Nachteil des Vatikan machte, flog schon vergangenes Jahr auf, seither ermittelt die Staatsanwaltschaft des Vatikan gegen ihn.

Derzeit kommen immer mehr Details zum Vorschein, die zeigen, welche Lücken es bei der internen Finanzkontrolle bis in jüngster Zeit gab und wie großzügig Becciu wohl auch sonst mit Geld umging. Es passt, dass ebenfalls in dieser Woche - routinemäßig - Experten von Moneyval, dem Europaratsgremium zur Bekämpfung von Geldwäsche und anderen kriminellen Transaktionen, im Vatikan eingetroffen sind. Das Geschäft, mit dem Becciu sich verhob, war die Beteiligung an einer Luxusimmobilie im schicken Londoner Stadtteil Chelsea. Er genehmigte 2014 und 2018 dafür 200 bis 300 Millionen Euro. Sie flossen über obskure Geschäftsleute und einen Investmentfonds, etwa 60 Millionen Euro an Provisionen und Gebühren fielen an. Eingesetzt wurde auch Geld aus dem Peterspfennig, einem päpstlichen Spendentopf für religiöse und karitative Zwecke.

Becciu steht auch in Verdacht, Verwandte begünstigt zu haben

Inzwischen laufen Ermittlungen gegen frühere Untergebene Beccius, einen Ex-Mitarbeiter der vatikanischen Finanzaufsicht und italienische Investmentbanker, 15 Personen, dem Corriere della Sera zufolge. Und auch die italienische Guardia di Finanza ermittelt, es geht um Veruntreuung, Betrug, Geldwäsche, Korruption. Becciu, so berichtete La Stampa, soll demnächst der Vatikanjustiz Auskunft geben. Er selbst hat vor der Presse erklärt, bei seiner Entlassung habe Papst Franziskus ihm eröffnet, diese beschuldige ihn der Veruntreuung. Der Catholic News Service will nun erfahren haben, dass vatikanische und italienische Behörden Strafanzeige gegen den Kardinal planten.

Dass der Papst gerade erst Becciu entließ, den er vor zwei Jahren auf einen der Spitzenjobs der römischen Kurie gehoben hatte, dürfte mit all dem zu tun haben. Recherchen des Magazins Espresso könnten die Entlassung beschleunigt haben. Danach steht Becciu auch in Verdacht, Verwandte begünstigt zu haben. Er soll 2018 aus dem Peterspfennig 100 000 Euro für die Kooperative Spes auf Sardinien, Heimat des Kardinals, angewiesen haben. Die Kooperative betreibt im Auftrag der Caritas Flüchtlingseinrichtungen, Beccius Bruder Tonino leitet sie. Auch vorher soll der Kardinal zweimal 300 000 Euro für Spes lockergemacht haben. Zumindest die letzten 100 000 Euro liegen noch auf dem Caritas-Konto, bestätigte der Bischof von Ozieri. Becciu gibt sich überrascht: Seine Entlassung habe ihn getroffen wie ein "Blitz aus heiterem Himmel".

Bei der Generalaudienz am Mittwoch forderte der Papst ein neues Wirtschaftsmodell für die Welt. Ein neues Modell für den Vatikan will er, seit er im Amt ist. Er ließ dazu 2014 das Wirtschaftssekretariat einrichten und den Wirtschaftsrat. Der Papst will, dass mehr Transparenz herrscht, und weniger Stellen im Vatikan Geld bewegen können. Es läuft vermutlich darauf hinaus, dass Investitionen und Ausgaben nur noch über die Güterverwaltung Apsa laufen. La Repubblica berichtet, Franziskus habe beschlossen, das solle auch für das mächtige Staatssekretariat gelten - wo Becciu agieren konnte. Noch viele Fragen sind offen, nicht nur zu Beccius Aktivitäten. Möglicherweise wurde aus dem Peterspfennig mehr entnommen, auch ein 50-Millionen-Darlehen für ein bankrottes Krankenhaus in Rom ist nicht geklärt.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels war in der Bildunterschrift von einer "Kardinalsweihe" die Rede. Richtig ist: Zum Kardinal wird man vom Papst ernannt. Die höchste Weihe in der katholischen Kirche ist die zum Bischof.

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SZ vom 02.10.2020/cat
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